Wie die WTG aus Kinder Denunzianten macht

Heute befassen wir uns mit einem weiteren Negativ-Höhepunkt, aus der monatlichen JW-Broadcasting-Sendung vom Mai 2020, durch die uns Stephen Lett führt. Eine Episode aus dieser monatlichen Sendung wurde mal Wieder speziell zur Manipulation und Indoktrinierung der Kinder produziert. Und wer denkt, es geht nicht schlimmer, mit dem, was die WTG- Verantwortlichen auf ihrem Kanal präsentieren, wird durch diese Folge eines Besseren belehrt. In diesem Video werden Kinder dazu ermuntert auch Familienmitglieder zu denunzieren und auszuspionieren, damit sie sich an die von der Organisation interpretierten, Grundsätze Jehovas halten.

Link zum Video: https://youtu.be/y0QlI0OxWK8

Wie üblich, versucht die WTG, anhand biblischer Beispiele aus dem Alten Testament, ihre Auslegung biblischer Maßstäbe zu untermauern. Stephen Lett bemüht sich, anhand einer Geschichte aus dem Alten Testament, ein Szenario zu konstruieren, an dem sich Zeugen-Familien, sowie die Zeugengemeinde im Allgemeinen, orientieren soll, um sich gegenseitig zu helfen, oder besser gesagt, zu denunzieren. Das alles natürlich unter dem ehrenwerten Vorwand des „geistigen Beistandes“. Dies scheint ein äußerst wichtiges Anliegen für die WTG-Führung zu sein, denn auch im Studienwachtturm März 2020 wird dies unter dem harmlosen Titel: “Wann ist die richtige Zeit zum Reden” thematisiert. Zitat:

“Manche Brüder und Schwestern könnten für unseren Geschmack durchaus etwas mehr reden, bei anderen wünschen wir uns vielleicht genau das Gegenteil. Jehova hat das Recht, Maßstäbe dafür festzulegen, wann und wie man reden sollte. 

Sprache ist ein Geschenk von Jehova. Er hilft uns, dieses Geschenk richtig zu gebrauchen. In diesem Artikel befassen wir uns mit biblischen Beispielen, die uns helfen zu entscheiden, wann es Zeit zum Reden ist und wann wir besser schweigen.” 

So, so, Jehova hilft uns, sein Geschenk, die Sprache, richtig zu gebrauchen. Er hat das Recht festzulegen, wann wir reden, worüber wir reden, und wann wir schweigen sollten. Es geht hier natürlich nicht um das Recht Jehovas, sondern um das Recht der Organisation, die dies festlegen will. Wer diesen Artikel aufmerksam liest, gelangt zu der Überzeugung, Jehova hat uns die Sprache geschenkt, damit wir unsere Mitbrüder auch denunzieren können, wenn sie sich nicht an seine Maßstäbe halten. Und so kommt dieser Artikel auch schnell auf diesen Punkt zu sprechen, Zitat Abs. 4:

“Sehen Älteste, dass ein Bruder oder eine Schwester Rat braucht, sollten sie denjenigen unbedingt ansprechen. Sie bemühen sich zwar die Würde des anderen zu wahren, aber scheuen sich auch nicht, auf biblische Grundsätze hinzuweisen, die ihnen helfen, weise zu handeln. Es ist so wichtig, Dinge mutig anzusprechen.” 

“Sollte ein Bruder oder eine Schwester einen Rat brauchen” – das hört sich erst einmal gut und sinnvoll an. Einen Bruder auf einen Fehler anzusprechen, hat ja auf den ersten Blick nichts mit Denunziation zu tun. Erst in Verbindung mit Abs. 6 wird klar, was wirklich gemeint ist, Zitat:

“Wenn wir wissen, dass ein Freund oder Angehöriger das Gesetz Gottes übertreten hat, müssen wir sicherstellen, dass er von denen, die Jehova eingesetzt hat, die nötige Hilfe bekommt.”

Aha, im Abs. 4 wird noch der Eindruck erweckt, es gehe um einen persönlichen Rat. Doch nun kommen die Verantwortlichen ins Spiel. Die “von Jehova Eingesetzten” sind natürlich die Ältesten, die informiert werden müssen, wenn jemand nicht den „theokratischen Anforderungen“ entspricht.

In diesem heutigen Video geht es um genau diese Problematik. Wir sehen einen kleinen Jungen, der sich an dem Priester und Propheten Samuel, der schon als Knabe im Tempel Jehovas diente, ein Beispiel nehmen möchte. Dieser kleine zehnjährige Junge möchte, so das Drehbuch, in seiner Familie für „Jehovas gerechte Grundsätze“ eintreten. Ein äußerst unwahrscheinliches Beispiel. Ich frage mich: Wie kommt ein kleiner Junge, in unserer heutigen Zeit, dazu, sich an Samuel, einer Person des Alten Testaments, ein Beispiel nehmen zu wollen? Ganz einfach: Er wurde durch die Veröffentlichungen der WTG, und natürlich durch solche Videoclips dahingehend beeinflusst.

In diesem Videoclip sehen wir also einen Jungen, der seinen großen Bruder als Vorbild sieht. Eines Tages findet er Fotos auf dem Handy des großen Bruders, die dokumentieren, dass sein Bruder mit „weltlichen“ Freunden eine Party feiert und offensichtlich Spaß dabei hat. In seinem -von der WTG geprägten- Weltbild wird dem Kleinen klar, dass sein Bruder ein Doppelleben führt und hier muss etwas getan werden, hier muss er handeln.

Aber jetzt mal im Ernst: Welches Problem wird in diesem Drama eigentlich thematisiert? Der ältere Bruder war auf einer Party mit Freunden, die offensichtlich keine Zeugen Jehovas sind. “Na und?” wirst du dich fragen. Es wird hier weder Bezug darauf genommen, ob diese Fotos irgendetwas Anstößiges zeigen, noch, ob der Junge irgendetwas getan hat, dass – nach Maßstäben der WTG oder der Bibel – eine Sünde darstellt. Das einzige Problem besteht darin, dass er mit „Weltlichen“ eine Party feierte. Der Kleine scheint in seinen jungen Jahren bereits so manipuliert und indoktriniert zu sein, dass er glaubt, seinen eigenen Bruder verpetzen zu müssen. Aus meiner persönlichen Erfahrung als Ältester kann ich bestätigen das solche Ereignisse nicht aus der Luft gegriffen sind, und immer wieder passieren.

Aber genau das ist der Sinn, hinter der Produktion solcher Videos, die die WTG von den Spenden ihrer Mitglieder produziert. Der Zuschauer soll dahingehend motiviert werden, seinen Mitbruder zu denunzieren, wenn er sich nicht an die Regeln der WTG hält.

In diesem Video wird auch offensichtlich, dass jeder, der nicht nach den Vorgaben der Organisation lebt, sofort dem Stereotyp „Weltmensch“ zuzuordnen ist. Das an der Wand im Zimmer des großen Bruders hängende Fußballposter, im Zimmer des großen Bruders, suggeriert dem Betrachter, dass es sich hier um einen „bösen“ und “weltlich” gesinnten Jugendlichen handelt. Das Poster eines Fußballvereins ist für einen Zeugen Jehovas ein fragwürdiges Utensil, das auf eine genauso fragwürdige Vorliebe hinweist.

Zumindest wurde mir das immer so dargestellt: Ein Fußballtrikot oder auch nur ein Fan-Shirt ist ein absolutes No-Go für einen jugendlichen Zeugen. Eine Mannschaft oder eine Nation zu favorisieren galt ja schon fast als Götzendienst. Und natürlich wird dieser „weltlich gesinnte Junge“ mit einem unverschämten Verhalten dargestellt, denn er schubst seinen kleinen Bruder ruppig beiseite. Aber auch die Art, wie er seine Mutter an die Seite stößt, vermittelt die Botschaft, seht her: Nicht wir haben ihn, nein, der widerspenstige Sohn hat uns als Familie verlassen.

Und damit nicht genug, betrachtet man nun auch noch die Reaktion der Eltern auf das „Fehlverhalten“ ihres Sohnes, wird jedem Zeugen klargemacht, wie sich ein loyaler Zeuge Jehovas in so einem Fall verhalten muss, Zitat: wir waren so verzweifelt, … wir haben uns Vorwürfe gemacht …

Noch einmal die Frage: Was war passiert? Warum sind die Eltern so verzweifelt? Warum machen sie sich Vorwürfe? Warum haben sie das Gefühl, versagt zu haben? Weil sie es nicht geschafft haben, ihren Sohn zu einem funktionierenden Mitglied ihrer Organisation zu erziehen?

Es geht nicht um Glauben, die persönliche Beziehung zu Gott, nein, es geht hier nur darum, sich an die strikten Regeln der WTG zu halten. An Regeln, die das Leben bis ins kleinste Detail managen und keinen Spielraum für persönliche Entscheidungen lassen. Alles ist festgelegt, und sollte jemand doch zu einem Abweichler werden, dann wird er mit Ächtung (Shunning) bestraft.

Durch diese Maßnahme werden Familien zerstört. Wie kann man nur so viel Kälte in seinem Herzen zulassen und dabei das Gesetz der Liebe verletzen, die gemäß der Bibel „nie versagt“? Viele Ehemalige haben heute mit den Auswirkungen von „Shunning“ zu kämpfen, befinden sich oft in psychologischer Behandlung und nicht selten endet es bei einigen schließlich im Selbstmord.

Und so wird auch in diesem Video gezeigt, dass die treuen Zeugeneltern den Kontakt zu ihrem älteren Sohn einschränken. Dem kleinen Denunzianten schenkt man dagegen alle Aufmerksamkeit, weil er (noch) im Sinne der WTG funktioniert. Bis heute ist es für mich unverständlich, dass Eltern zu so etwas fähig sind: Wie man sich seiner Kinder entledigen kann, wenn diese sich nicht an die Regeln einer Religionsorganisation halten.

Eltern können – nach Ansicht der WTG – vertreten hier durch Stephen Lett, nur stolz auf ihre Kinder sein, wenn sie sich im „Dienst für Jehova“ einsetzen, womit natürlich “Dienst im Sinne der Organisation” gemeint ist. Der sogenannte „Dienst für Jehova“, in dessen Organisation, wird mit dem Tempeldienst eines israelitischen Priesters verglichen. Wie kann man seine Kinder, anhand solcher abgehobener angeblicher „Vorbilder“, ernsthaft erziehen wollen?

Am Schluss des Videos fragt Stephen Lett bedeutungsvoll: „Ist Euch aufgefallen wie loyal der jüngere Sohn war?”

Ja, der Kleine hat seinen Eltern von der Sache erzählt oder besser gesagt: Er hat seinen Bruder wegen einer Lappalie denunziert. Stephen Lett hat aber auch die Eltern lobende Worte, für ihn sind sie loyal, weil sie sich sofort an die Ältesten gewandt und um Hilfe gebeten haben, Zitat Steffen Lett:

“Wir hoffen sehr, dass dem älteren Sohn anschließend geholfen werden konnte und dass er die nötige Anleitung erhalten hat, sein Verhalten zu ändern.”

Also, was uns Stephen Lett hier abschließend sagen möchte ist folgendes: „Nehmt Euch ein Beispiel an dem Kleinen, denn der hat im Sinne der WTG funktioniert. Und auch die Reaktion der Eltern ist nachahmenswert, denn sie haben, ohne zu zögern, die Ältesten eingeschaltet und ihrem Sohn wegen einer Lappalie mit Ächtung bestraft. Damit haben sie ganz in Sinne der Ächtungspolitik der WTG gehandelt. Wenn der Junge seine Familie, d.h. Eltern und Bruder, aber auch seine Freunde wiedersehen will, dann geht das nur, wenn er sich unseren Regeln unterwirft.”

Es tut mir leid, aber ich könnte mich übergeben. Ich schäme mich dafür, dass ich jemals ein Teil dieser Organisation gewesen bin. Wenn Ihr das hier lest und noch aktive Zeugen Jehovas seid, dann bitte ich Euch, über das alles hier nachzudenken und euch bewusst zu machen, welcher Organisation ihr hier die Treue geschworen habt. Es ist eine Organisation, die es sich nicht nur zur Aufgabe gemacht hat, Menschen geistig, emotional, sozial und intellektuell einzuschränken … nein, sie wird euch auch dazu verleiten, eure eigenen Kinder zu verstoßen, wenn diese sich nicht mehr den WTG-Direktiven unterordnen.

 

 

 

 

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14 Kommentare
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…übergeben? …nicht nur Du lieber Lennard. Wiki schreibt: Unter einer Denunziation (lat. denuntio, „Anzeige erstatten“) versteht man die (Straf-)Anzeige eines Denunzianten aus persönlichen, niedrigen Beweggründen, wie zum Beispiel das Erlangen eines persönlichen Vorteils. Sozialer Zusammenhalt der FamilienAls kleinste soziale Einheit im Staat gilt die Familie. Gerade hier ist der soziale Zusammenhalt meist so groß, wie man sich ihn auch auf anderen Gebieten gerne wünschen würde.…Der Zusammenhalt in der Familie wirkt sich grundsätzlich positiv für alle Familienmitglieder aus. Besonders die Kinder profitieren hier, da sie sich zu jeder Zeit sicher und behütet fühlen können. Dies ist wichtig für die Entwicklung und auch für das seelische Gleichgewicht des… Weiterlesen »

Last edited 3 Jahre zuvor by RoKo

Schlimmer geht immer!
Wer so eine Familie hat, braucht keine Feinde mehr.
Der Brotkasten ist nur noch peinlich!
Nützlich wie ein Kropf!
🌸🌸🌸

Für alle hier, die das Kinderspitzel-Video mal eben am Stück als Original sehen wollen:
Ab Minute 27:11
https://www.jw.org/de/bibliothek/videos/#de/mediaitems/StudioMonthlyPrograms/pub-jwb_202005_1_VIDEO

Danke für den Artikel.
Wenn man die Diskussion darüber ob ZJ nun ein Kult sind oder nicht, führen will, so ist dies ein gutes Beispiel. Man sieht immer mehr eine Orwellisierung. Seien es nun die “Kinderspitzel”, der Neusprech oder auch Strukturen, welche sich diametral entgegengesetzt zu ihrem Namen verhalten. Denn, wer glaubt mittlerweile, dass ihm Recht widerfährt, wenn er in ein Rechtskomitee geht?

Es grüßt
Janus

Seit 1 Stunde suche ich den Videoausschnitt wo die Jehovas Zeugen von der ARC befragt werden zum Thema „Pädophile und Päderasten den Behörden melden“ wo auch deutlich wird, dass ihnen nicht nur die Gefährdung eigenen Kinder, sondern auch die der übrigen Gesellschaft komplett am Allerwertesten vorbei geht. Was mehr als deutlich die GEMEINGEFÄHRLICHKEIT der ZJ beweist.

Weiß jemand zufällig wo ich diesen Ausschnitt in angemessener Zeit finde? Oder hat ihn jemand parat?

Danke

from bad to worse.

Habt Ihr zufällig das Programm für die letzte LuD Zusammenkunft gesehen?
Habe fast einen Lachanfall bekommen!
Programmpunkt “Sei demütig – Lob dich nicht selbst” mit dem Kindervideo über Angeberei dazu…..
Sollten mal bei sich selbst anfangen, bevor sie Kinder reglementieren!
Wie war das noch gleich mit dem Balken und dem Strohhalm im Auge?
Wildblume 🌸🌸🌸

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