Barbara Anderson und ihre Erfahrungen mit der WTG

Teil 1 – Übersetzung, nicht lektoriert.

Eine ehemalige Mitarbeiterin aus dem Bethel in Brooklyn berichtet über ihre Erfahrungen und Hintergründe aus dem Zentrum der WTG.

Quelle: https://www.watchtowerdocuments.com/barbara-anderson.html

Barbara Anderson war Angehöriger der Zeugen Jehovas von 1954 bis 1997. Sie war in der Wachtturm-Weltzentrale in Brooklyn, New York, von 1982 bis 1992 tätig. Während ihrer letzten drei Jahre dort betrieb sie Nachforschungen über die offizielle, 1993 veröffentlichte Geschichte der Bewegung, und recherchierte und schrieb eine Reihe von Artikel für das “Erwachet!”-Magazin der Gesellschaft. Sie stellte umfangreiche Nachforschungen betreffs sexuellen Missbrauchs von Kindern in der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas an, wodurch sie zu einem offenen Kritiker der Zeugen Jehovas-Richtlinien betreffs sexuellen Missbrauchs wurde, was zu Interviews in führenden Fernseh- und Rundfunkkanälen führte.

Eine lebensverändernde Entscheidung

1940 wurde ich in Long Island, New York, als Kind polnisch-katholischer Eltern geboren. Als unerfahrene, unzufriedene Vierzehnjährige traf ich eine Entscheidung, die meine Wahlmöglichkeiten während der nächsten vierundvierzig Jahre einengen sollte – ich schloss mich einer der kämpferischsten und umstrittensten religiösen Gruppen – Zeugen Jehovas – an, die zum Mittelpunkt meines Lebens wurde. Aufgrund des von dieser Religion für ihre Mitglieder festgelegten Verbotes von “Höherer Bildung” schob ich mein Herzensbegehren – ein Archäologiestudium – beiseite. Missionarische Aktivitäten hatten Priorität vor Bildung. Ich befolgte ihre Regeln betreffs der Wahl von Freunden sowie eines Ehepartners, die nur innerhalb von Zeugen Jehovas auszuwählen waren.

Weshalb würde sich ein junger Mensch einer derartigen Kontrolle über das eigene Leben unterwerfen? In diesem jungen Alter war ich nicht nur idealistisch, sondern hatte auch Langeweile. Ich war zu jung, um irgendeinen wertvollen Beitrag zur Lösung der Weltprobleme zu leisten, verspürte aber den tiefen Wunsch hierzu – eine Geisteshaltung, die mich ein von Jehovas Zeugen angebotenes Bibelstudium bereitwillig annehmen ließ. Nicht zuletzt sagten die Zeugen, sie verfügten über allen Aufschluss hinsichtlich Gut und Böse und aller anderen Geheimnisse des Lebens.

Sehr bald nahm ich den Zeugenglauben begeistert an. Wie hätte ich als junger, naiver und leichtgläubiger Mensch erkennen können, dass mein Denken manipuliert wurde durch Methoden der Indoktrination, die über Jahrzehnte geschickt ausgetüftelt und verfeinert worden waren, wodurch alles, was mir vermittelt wurde, sehr überzeugend wirkte? Allein das Empfinden, von Menschen angenommen zu werden, die mit Überzeugung von Dingen redeten, von denen sonst niemand etwas zu wissen schien, faszinierte mich und machte mich zu einem beständigen und zuverlässigen Anhänger. Ein starkes Zugehörigkeitsgefühl befähigte mich, kritisch eingestellten katholischen Verwandten und Freunden gegenüberzutreten. Nach drei Monaten Bibelstudium zog ich begeistert in den Zeugen Tür-zu-Tür-Predigtdienst hinaus, und nach neun Monaten wurde ich zusammen mit meiner Mutter als Zeugin Jehovas getauft.

Nach zwei Jahren fühlten sich mindestens fünf erwachsene Menschen aufgrund meines Eifers gedrängt, zu meinem Glauben überzutreten. 1956, als ich 16 Jahre alt war, bat mich eine Zeugenmissionarin, die vorübergehend in Long Island wohnte, während sie auf eine Aufenthaltserlaubnis für Indien wartete, sie während zwei Monaten im Sommer im “Pionier-” oder Vollzeitmissionarswerk in der Nähe von Athens/Ohio, zu begleiten. In dieser Gegend wurden fünfzehn Jahre früher, während des zweiten Weltkriegs, Zeugen Jehovas von patriotisch eingestellten Bürgern geteert und gefedert, weil sie den Fahnengruß sowie das Unterstützen des Krieges verweigerten. Einmal war uns mulmig zumute, als uns ein verärgerter Mann von seinem Grundstück jagte mit der Drohung, er würde sein Gewehr holen und uns aus dem Bezirk vertreiben, so wie er es Jahre zuvor mit den Zeugen getan hatte. Wir ließen uns jedoch nicht einschüchtern und setzten unsere Missionstätigkeit fort.

Die Rückkehr zur Schule im Herbst bereitete mir Verdruss, denn ich wollte predigen und nicht meine Zeit damit verschwenden, über eine Welt zu lernen, die jeden Moment vergehen könnte. Dies war eine schwierige Zeit für mich, doch nach einigen Monaten zog meine Familie nach Südflorida um, wo wir mit den Zeugen Kontakt aufnahmen und ich erneut einen völlig neuen Freundeskreis fand.

Meine Hochzeit

1957 schloss ich mich im Alter von 17 Jahren mit zwei anderen jungen Frauen aus Florida zusammen, und wir nahmen eine Zeugen-Predigtzuteilung in Columbus/Mississippi an. Da Columbus eine Universitätsstadt war, wo sämtliche verfügbaren Arbeitsstellen von Studenten besetzt waren, konnten wir keine Teilzeitstellen finden, weshalb wir nach drei Monaten mittellos und entmutigt wieder abreisen mussten. Anstatt jedoch nach Florida zurückzukehren, entschieden wir uns, nach New York zu gehen, da wir wussten, dass dort in der Weltzentrale der Zeugen Jehovas in Brooklyn Freiwillige benötigt wurden. Dort bereiteten die Mitarbeiter den großen, für 1958 geplanten internationalen Kongress der Zeugen Jehovas vor, der im Yankee Stadion und in den „Polo Grounds“ in New York abgehalten werden sollte. Wir wohnten bei befreundeten Zeugen in Long Island, bis wir eine Wohnung und Teilzeitstellen gefunden hatten; dann pendelten wir an einigen Tagen in der Woche jeweils dreißig Meilen, um in der Weltzentrale in Brooklyn Büroarbeiten zu erledigen.

Einige Monate vor dem Kongress in New York traf ich Joe Anderson. Seine Mutter Virginia und ich besuchten die gleiche Versammlung in Hempstead/Long Island, und sie stellte mich ihm vor. Joes Großmutter war eine Zeugin, obgleich ihr Einsatz eher minimal war. Die Folge davon war, auch ihre Kinder waren größtenteils nur passive Zeugen Jehovas. Als Joe sechzehn Jahre alt war, zogen seine Eltern von Tampa/Florida, nach Dallas/Texas, wo seine Mutter begann, die Zeugenzusammenkünfte in einem örtlichen Königreichssaal zu besuchen. Sein Vater, ein despotischer Alkoholiker, zeigte keinerlei Interesse an den Zeugen.

Die von Eifer geprägte religiöse Freundesgemeinschaft wirkte anziehend auf Joe, und obgleich seine zwei Schwestern die Gruppe verließen, schloss er sich mit anderen Zeugen zusammen, um drei Jahre lang Pionierwerk in der Gegend um Dallas durchzuführen. (Zu dieser Zeit erklärten sich Pioniere dazu bereit, jeden Monat 100 Stunden die Bibel mit Nicht-Zeugen zu besprechen; heute sind es 70 Stunden. In der Regel haben Pioniere Teilzeitarbeitsstellen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen.) 

1956 stellte sich Joe als freiwilliger Mitarbeiter des in Brooklyn Heights befindlichen “Bethels” zur Verfügung, wo er dann auch wohnte. Hier befindet sich das Hauptbüro der Zeugen Jehovas, die unter dem Namen “Wachtturm Bibel und Wachtturm-Gesellschaft, wo er von 1956 bis 1959 an einer ihrer Druckpressen arbeitete. Hier war er tätig, als ich ihm 1958 begegnete. Nachdem wir im November 1959 geheiratet hatten, waren wir als Pioniere in West Palm Beach/Florida tätig, bis ich mit unserem Sohn Lance schwanger wurde, der am 14. September 1961 geboren wurde.

Unsere bedingungslose Bereitschaft zum dienen

Mein Mann diente als vorsitzführender Aufseher in den Versammlungen, denen wir angeschlossen waren; er machte nicht nur schöne Worte, sondern lebte während der fünfundzwanzig Jahre, die er im Pionierwerk tätig war, das, was er andere lehrte, selbst voll aus. Als Ehepaar waren wir von solch einem leidenschaftlichen Glaubenseifer beseelt, dass wir im Laufe der Jahre mehr als achtzig Menschen zu unserem Glauben bekehrten. 1974 zog unsere Familie nach Tennessee um, wo wir gemeinsam mit einigen Dutzend anderer Zeugen aus Südflorida eine neue Versammlung von Zeugen Jehovas gründeten.

Von Anfang an setzte ich meinen Glauben in die Theologie und den Einfluss der Wachtturm-Gesellschaft, da sie in einer Zeit großer Instabilität und Unsicherheit der 1950er “Bombenkeller und kalte Kriegs”-Jahre biblische Antworten auf uralte Fragen über Leben und Tod, Krieg und Frieden zu haben schien. Während die Jahre vergingen, war ich überzeugt davon, die richtige Entscheidung getroffen zu haben, in einer Zeit, in der die die Eskalation besorgniserregender Situationen weltweit anhielt, betreffs derer die Zeugen verkündeten, diese seien ein sicheres Zeichen für das herannahende Weltende.

Um die Mitte der 1960er Jahre wurden Stimmen der Anführer unserer Organisation laut, die sagten, daß 1975 das Ende des gegenwärtige System der Dinge stattfinden solle. Aus Sorge, nicht genügend für Gott zu tun, kündigte Joe in 1968 seine Arbeit mit der Florida Power and Light Company und suchte für jeden von uns eine Teilzeitstelle, da wir wieder das Pionierwerk aufnahmen. Joe war drei Jahre lang als Pionier tätig, und ich ein Jahr, obgleich ich weiterhin in unregelmäßigen Abständen auf monatlicher Basis als Pionier tätig war, wann immer ich konnte.

Obwohl das von Zeugen Jehovas für die kommende Apokalypse festgesetzte Datum 1975 kam und verstrich, waren wir nicht beunruhigt, denn wir hatten zu viel in diese Religion investiert, um jetzt das Handtuch zu werfen.

Begeisternde Einladung zur Freiwilligenarbeit

Im Jahr 1982 lud die Wachtturmgesellschaft Joe und mich ein, freiwillige Mitarbeiter im Bethel Brooklyn zu werden, wo wir freie Kost und Logis erhielten sowie eine geringe monatliche Zuwendung im Austausch für unsere Mitarbeit. Im Jahr zuvor verrichtete unser Sohn Lance, damals neunzehn Jahre alt, Freiwilligenarbeit im Bethel und wurde als ständiger Mitarbeiter angenommen. Ihm wurde aufgetragen, in einer der zahlreichen Fabriken der Wachtturm-Gesellschaft in Brooklyn zu arbeiten und eine ihrer vielen Hochgeschwindigkeitsdruckpressen zu warten, die – im Verbund mit den anderen Druckmaschinen – buchstäblich Hunderte von Millionen Exemplaren von religiöser Wachtturmliteratur pro Jahr produzierten.

Mein Mann Joe war der Grund dafür, dass wir ins Bethel in Brooklyn eingeladen wurden. Als wir unseren Sohn im März 1982 besuchten, begegnete Joe einem hochgestellten Druckereiaufseher der Wachtturm-Gesellschaft namens Richard Wheelock, für den er in den 1950ern gearbeitet hatte. Als Richard erfuhr, daß Joe Rohrinstallateur war, kümmerte er sich darum, dass wir als Mitarbeiter der Weltzentrale eingeladen wurden. Erwähnenswerterweise beging Richard Wheelock acht Jahre später, am 25. Juli 1990, im Alter von 75 Jahren Selbstmord, indem er aus einem im dritten Stock befindlichen Fenster in dem Gebäude, in dem wir wohnten, sprang. Er litt an schweren Depressionen, seitdem seine Frau fünf Jahre zuvor verstorben war.

Innerhalb weniger Monate nach unserer Umsiedlung ins Bethel fanden wir heraus, weshalb Richard so sehr an Joes Handwerk interessiert war. Niemand in Brooklyn, einschließlich des größten Teils der Wachtturm-Mitarbeiter wusste, dass Verhandlungen im Gange waren, eine alte Fabrik in Brooklyn zu kaufen, die direkt am East River in der Furman Street lag. Dieses vernachlässigte Gebäude war riesig – um die einhunderttausend Quadratmeter Bodenfläche – ; während des zweiten Weltkrieges wurden dort Panzer gebaut. Die Aufzüge waren so groß, daß darin problemlos große Lastwagen die 13 Stockwerke hinauf- und hinunterbefördert werden konnten. Kurze Zeit nach dem Erwerb dieses Gebäudes wurde unser Sohn von der Druckerei in der Adams Street in dieses Gebäude in die Furman Street versetzt, um zu lernen, wie man Aufzüge baut und repariert. (Erwähnenswerterweise wurde dieses Gebäude nach jahrelangen, von Freiwilligen durchgeführten Renovierungsarbeiten im April 2004 verkauft, wobei die Wachtturm-Gesellschaft einen enormen Profit machte.)

Des Weiteren wurde das heruntergekommene, 12-stöckige Bossert Hotel, das 1909 in der Montague Street in der Innenstadt in Brooklyn Heights, einem denkmalgeschützten Bezirk, seinen Betrieb aufnahm, insgeheim für einen Kauf in Betracht gezogen, und zwar von “Cohi Towers Associates”, einer Organisation, die sich aus einer Anzahl wohlhabender Zeugen Jehovas zusammensetzte mit dem Ziel des Ankaufes von Gebäuden für die Wachtturm-Gesellschaft. Durch den Einsatz der “Cohi Towers-Gesellschaft” für den Ankauf von Gebäuden verschleierte die Wachtturm-Gesellschaft ihre Beteiligung an dem Projekt, und versteckte vor örtlichen Protestbewegungen die Tatsache, daß nun ein weiteres Gebäude in der Umgebung von der Liste der steuerpflichtigen Immobilien gestrichen wurde. Um die von Cohi zu entrichtende Besitzsteuer für das Bossert Hotel zu mindern, wurde ich beauftragt, die für einen Eintrag des Hotels in das Nationalregister denkmalgeschützter Stätten nötige Information zu beschaffen. Nach einigen Monaten jedoch kam meine Arbeit zu einem Ende, da – wie mir mitgeteilt wurde – die Cohi-Organisation das Gebäude der Wachtturm-Gesellschaft überschrieben hatte. Bis heute besitzt die Wachtturm-Gesellschaft um die zwanzig Wohngebäude in Brooklyn Heights, obgleich sie in 2005 einige Gebäude im Zuge von Sparmaßnahmen zum Verkauf anbot, um ihre Aktivitäten in New York kostengünstiger zu gestalten.

Als wir das Bethel an diesem Samstagmorgen im März 1982 besuchten, waren Freiwillige am Schuften, um einige alte Gebäude zu renovieren, und begannen mit der Arbeit an dem denkmalgeschützten 12-stöckigen Standish Hotel (eröffnet in 1903), welches die Wachtturm-Gesellschaft einige Jahre zuvor erworben hatte. Im Lichte all dieser Käufe und dem Bedarf an erfahrenen Installateuren leitete Richard weitere Vorstellungsgespräche mit anderen Wachtturm-Funktionären in die Wege, und gegen Mittag erhielten wir die Einladung, Mitglieder der damals mehr als 2000 zählenden Wachtturm-Belegschaft in Brooklyn zu werden. Ganz nebenbei zählte elf Jahre später, als wir nach Tennessee zurückkehrten, die Belegschaft des Bethels in Brooklyn über 3300, aufgrund des außerordentlichen Wachstums der Zeugenorganisation während der 1980er und der früheren 1990er Jahre.

Mit begeisterter Erwartung angesichts unseres neuen Abenteuers begaben wir uns nach Hause, regelten unsere Angelegenheiten und kehrten im Juni 1982 nach New York zurück. Joe wurde der Gebäude-Rohrinstallationsabteilung zugeteilt, die die Verrohrung des alten Squibb-Gebäudes renovierte, und ich begann meine Arbeit in der Kassettenkopierabteilung. Nach einigen Wochen trat bei mir eine ernsthafte Allergie gegen abteilungsbedingte Chemikalien auf, und ich wurde in den Versand versetzt, wo ich als Datentypistin arbeitete.

Weltweite Ausdehnung

Ungefähr ein Jahr später kam ich in die Abteilung für Bauwesen als Mitarbeiterin im Sekretariat. Die Abteilung bestand aus über hundert Mitarbeitern – Zeichner, Ingenieure, Architekten, Sekretärinnen und andere Büroarbeiter, die alle auf irgend eine Weise am Entwurf, der Planung, und der Errichtung neuer oder renovierter Gebäude beteiligt waren, die von Jehovas Zeugen weltweit genutzt wurden, und dies in einer Zeit, in der die Zeugen als eine der am schnellsten wachsenden Religionen galten.

Bald nachdem ich meine Arbeit in dieser Abteilung begonnen hatte, gelangte die Wachtturm-Gesellschaft in den Besitz eines sehr großen Stück Landes in Patterson/New York. Zu Beginn herrschte Unsicherheit, was die Nutzung dieses Landstückes anbelangte, doch nach einiger Zeit wurde entschieden, es für die Nutzung zur Errichtung eines Bildungszentrums zu erschließen. Wie ich erfuhr, betrug die ursprüngliche, für die Erschließung zurückgestellte Geldsumme fünfzig Millionen Dollar. Als ich die Abteilung für Bauwesen 1989 verließ, beliefen sich die Kosten auf über einhundert Millionen Dollar, und das Anwesen wächst seitdem weiterhin, während der Betrieb in Brooklyn schrumpft. Obgleich sich der Sitz der Hauptverwaltung der Leitenden Körperschaft von Jehovas Zeugen nach wie vor in Brooklyn befindet, entwickelt sich das Anwesen in Patterson zum Verwaltungsmittelpunkt, von wo aus die weltweite Organisation geleitet wird.

Errichtung eines 30-stöckigen Gebäudes im Hafengebiet

Später wurde ich einem der Architekten als Sekretärin zugeteilt. Er war ein ehemaliger Missionar, der ein 30-stöckiges Mitarbeiter-Wohngebäude für das Bethel in Brooklyn entwarf. Eines Nachmittags, als ich auf einen Aufzug wartete, näherte sich John (“Jack”) Barr, ein Glied der Leitenden Körperschaft. Während wir auf den Aufzug warteten, wollte er wissen, was meine Aufgabe war. Ich erzählte ihm, daß unser Bauingenieursteam daran arbeitete, ein Umweltverträglichkeitsgutachten fertigzustellen. Die in diesem umfangreichen Dokument enthaltene Information wurde von der Stadt New York angefordert , um unsere Anfrage betreffs einer Änderung des Flächennutzungsplans bezüglich der von der Wachtturmorganisation geplanten Errichtung des 30-stöckigen Wohngebäudes zu prüfen. In der Gemeinde gab es erheblichen Widerstand gegen die Errichtung eines solch großen Gebäudes im Brooklyner Hafengebiet am East River, gegenüber des flußnahen Wallstreet-Areals in Manhattan, da dies eine Beeinträchtigung dieser weltbekannten Stadtansicht bedeuten würde.

Ich werde niemals vergessen, was Jack mir damals sagte: “Wir haben für dieses Projekt fünfzig Millionen Dollar zurückgestellt, und es ist unglaublich, zu sehen, daß unser Bankguthaben niemals schrumpft.” Dann fügte er hinzu: “Jehova sorgt dafür”, wobei er mit seiner rechten Hand gestikulierend einer unsichtbaren waagrechten Linie entlang hin- und herfuhr, um anzuzeigen, wie das Geld konstant bleibt. Jedoch sorgte Jehova nicht für die Genehmigung der Änderung des Flächennutzungsplans. Schließlich wurde das Gebäude einige Straßenblocks weiter Inland errichtet, neben den Wachtturm-Fabrikgebäuden, weit weg von dem, was als ideale Lage betrachtet wurde.

Gelegenheiten für Nachforschungen

Da der Bezirk von Brooklyn Heights, wo sich die Wachtturmgebäude befinden, unter Denkmalschutz steht, müssen neue und renovierte Gebäude bestimmten, von der örtlichen Behörde für Sehenswürdigkeiten festgelegten architektonischen Kriterien entsprechen. Mit der Zeit bestand ein wichtiger Teil meiner Arbeitszuteilung darin, Nachforschungen betreffs örtlicher geschichtlicher und architektonischer Fragen anzustellen, damit wir diesen Anforderungen gerecht werden konnten. Die Gebäudesanierungsregeln waren derartig strikt, daß uns zur Auflage gemacht wurde, den Stil der ursprünglich an der vorderen Eingangstür des Bossert-Hotels angebrachten Hausnummern zu replizieren. Viele bezweifelten, daß diese Information noch auffindbar war, doch nach beträchtlichen Nachforschungen in der Denkmalschutzbehörde von Long Island fand ich eine frühe Aufnahme der Hotelvorderseite auf einer Werbeanzeige in einer alten Zeitschrift. Auf ihr waren die Nummern klar genug erkennbar, um repliziert werden zu können. Nach dieser Entdeckung bestand kein Zweifel mehr an meinen Fähigkeiten zur Nachforschung.

1989 wurde ich in die Schreibabteilung versetzt, um für Karl Adams, einem leitenden Redakteur, als Nachforschungsassistentin zu arbeiten. Er war damit beschäftigt, einen Geschichtsbericht unserer Religion zu verfassen, der schließlich in Form der 750-seitigen Chronik “Jehovas Zeugen – Verkündiger des Königreiches Gottes” in 1993 herausgegeben wurde.

Ein anderer leitender Redakteur, David Iannelli, wurde beauftragt, mit Karl an dem Buch zu arbeiten. An meinem ersten Tag in der Schreibabteilung sah mich David in der Bibliothek der Schreibabteilung allein stehen und kam herbei, um mit mir zu reden. Ich erinnere mich ganz deutlich daran, wie er mir sagte, wie glücklich ich mich schätzen solle, in die Schreibabteilung versetzt worden zu sein. Er sagte, Betheliten wären bereit, zu “töten”, um meinen Job zu bekommen. Ich dachte, ich wüßte, was er meint, und mußte lächeln.

Alle, die ins Bethel kamen, wurden aufgrund ihrer exzellenten “geistigen” Qualifikationen ausgewählt, die sie durch ihre Beteiligung am Evangelisierungswerk gezeigt hatten. Mir war bewußt, daß die meisten Betheliten, wenn sie hätten wählen können, sich dafür entschieden hätten, ihre gesamte Zeit mit “geistigen Dingen” zu verbringen, anstatt mit profanen Tätigkeiten, wie sie “draußen” im Berufsleben üblich sind. Die Schreibabteilung war das Zentrum, um das sich das gesamte Bethel drehte, denn die Wachtturmliteratur bildet das Rückgrat der Religion; mir war also klar, daß die Schreibabteilung der meistbegehrte Arbeitsplatz war.

David bemerkte mein Lächeln und wiederholte seine Worte, diesmal mit mehr Nachdruck. Er sagte: “Ich meine es ernst: Betheliten würden für die Arbeit, die du erhalten hast, jemanden umbringen. Vergiß das nicht!” Ernüchtert und leicht verwirrt durch diese Worte machte ich noch etwas Smalltalk und entfernte mich sodann, um damit zu beginnen, mich in der Bibliothek zurechtzufinden und meine erste Frage der von Karl erhaltenen Aufgabenliste zu bearbeiten.

Später gab es Zeiten, während derer ich mich fragte, was ich falsch gemacht hatte, so daß Gott mich bestrafte, indem er mich in diese Abteilung versetzen ließ. Dann erinnerte ich mich an Davids Worte. Sicher, ich arbeitete mit einigen außerordentlich guten Menschen zusammen, Menschen, die ich “Freunde” nannte. Aber hinter den Kulissen gab es einige, die mir nichts Gutes wünschten und die versuchten, meine Arbeit zu sabotieren, da sie meinen Arbeitsplatz wollten, oder die mich weghaben wollten, da ich herausfand, daß sie unredlich waren. In meiner Naivität machte ich Entschuldigungen für Leute, die äußerlich freundlich und hilfsbereit waren, doch deren Hilfe einige Male dazu führte, daß Karl mich zurechtweisen mußte. Nach zwei Jahren in der Schreibabteilung beispielsweise, nach einer besonders schwierigen Situation, die dazu führte, daß eine junge Frau aus der Abteilung entfernt wurde, sagte mir Karl, sie sei nicht der Freund gewesen, für den ich sie hielt, sondern daß sie mir grollte, da ich die Arbeite erhielt, die sie begehrte. Jawohl, David hatte recht, als er sagte, Einige wären bereit, zu “töten”, um meinen Arbeitsplatz zu erhalten.

Von einigen negativen Dingen abgesehen, war die tägliche Arbeit in der Schreibabteilung spannend; meine Tätigkeit umfaßte viele interessante und herausfordernde Aktivitäten. Jede Woche gab mir Karl eine Liste mit zu beantwortenden Fragen, die zumeist mit der frühen Geschichte der Wachtturm Bibel und Traktatgesellschaft bis hin zu deren Anfängen in 1879 zu tun hatten. Dadurch lernte ich eine ganze Menge über meine Religion. Sehr oft entdeckte ich auf meiner Suche nach spezifischen Informationen anderes wichtiges Archivmaterial, welches vor langer Zeit in alten Aktenschränken an verschiedenen Stellen platziert, und dann vergessen wurde.

Ende 1. TEIL

Fernsehbericht mit Barbara Anderen 2017

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Upps

… das “Corona“ Rumgedöns von
… dumm … dümmer … bis bescheiden bescheuert

hat auf BiA wohl sein Ende gefunden … hoffentlich … oder ?
wenn JAA,
dann

Gut soo

Man fokussiert sich wieder auf Aufklärung gegenüber der Selbstdarstellung einer
JW.org ?
wenn JAA,

  1. dann

Gut soo

Außer der Reihe – Kriegsgefahr
Mich erreichte soeben eine wichtige Info über einen offenen Brief prominenter Mitdenker in Deutschland, einige kennt man aus TV. Menschen appellieren an den Kanzler, nicht politischen Zwängen nachzugeben, sondern lauter zu bleiben und Gefahren abzuwenden.
Brief: https://www.emma.de/artikel/offener-brief-bundeskanzler-scholz-339463
Wer den Brief ebenso unterschreiben möchte, hier
https://chng.it/zMsfrbYhJY
Aktuell 4.900 Unterschriften 29.04.2022 15:17Uhr

Jehovas Zeugen sind die intelligentesten und gebildetsten und moralisch einwandfreisten Menschen. Jehovas Elite! Wirklich „begehrenswerte Leute“:

https://www.reddit.com/r/exjw/comments/ueucqj/the_new_york_times_of_1552011_published_a_graphic/?utm_source=share&utm_medium=ios_app&utm_name=iossmf&utm_term=link

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