Mein Brief an das Zweigbüro Selters

               

An Jehovas Zeugen,

Zweigbüro

65617 SELTERS

DEUTSCHLAND

XXXXXXX d. 15. Juli 2012

Liebe Brüder

gerne möchte ich auch noch persönlich auf Eure Anfrage bezüglich der Zunahme untätigen und unregelmäßigen Verkündigern eingehen. Das Dienstkommitee Eure hat eure vorgegebenen Fragen und Statistiken, was unsere Versammlung betrifft, gerne beantwortet, doch dabei möchte ich es nicht belassen. Ich denke, dass Ihr auch Wert darauf legt zu erfahren, wo eine Älteste die Ursache für diese negative Entwicklung sehen. Ich möchte jedoch betonen, dass das hier Dargelegte meinen persönlichen Erfahrungen und Beobachtungen entspricht so wie meine persönliche Einschätzung ist.

Ihr fragt nach den Ursachen dieser Entwicklung, und gebt drei mögliche Ursachen vor. Alter, Krankheit und zunehmender weltlicher Druck. Doch die Ursache nur in diesen drei Bereichen zu vermuten, wäre nach meinem Dafürhalten zu kurz gedacht. Mit Alter und Krankheit mussten alle Verkündiger schon immer zu allen Zeiten fertig werden. Und wenn auch der Druck dieses Systems auf den Einzelnen sicher immer stärker wird, so galt es auch in der Vergangenheit Probleme zu überwinden.

Wenn ich die statistische Entwicklung unserer Versammlung betrachte, und Ihr dürft sicher sein, dass besonders ich, der ich seit über 40zig Jahren als VA oder jetzt KdÄ in unserer Versammlung dienen darf dies mit großer Sorge tue, dann ist es enttäuschend zu beobachten, wie die Zahl der Verkündiger unserer Versammlung immer mehr schrumpft.

Wenn dieser Trend nur in unserer Versammlung zu beobachten wäre, müssten wir die Ursache wohl bei uns Ältesten suchen. Doch dies ist ein Trend, der fast in allen westlichen Ländern zu beobachten ist. Ich denke ihr kennt die Statistiken und Zahlen hierzu sicherlich besser als ich.

Von ca. 126 Verk. In unserer Versammlung vor 6 Jahren sind wir jetzt nur noch knapp 100 Verk. Leider verlassen mehr die Versammlung als hinzukommen, und selbst die Neugetauften verlassen oft nach einigen Jahren die Versammlung wieder. Junge Menschen, Kinder von uns allen, verlassen zum großen Teil die Versammlung sobald sie Volljährig sind. Das als das Ergebnis unserer Bemühungen und Arbeit zu sehen, ist sehr frustrierend.

Aber noch entmutigender ist die Zahl derer, die zwar noch mit uns verbunden sind, aber immer passiver und nur noch formgerecht und angepasst ihren Dienst verrichten, um dann bevor sie vollständig aufgeben sich in verschiedene medizinische und therapeutische Institutionen begeben, weil sie dem Druck und den Anforderungen nicht mehr gewachsen sind, der von allen Seiten ausgeübt wird. Auch das was sie in den Versammlungen hören und lesen wie, … „der Predigtdienst ist das wichtigste“… der Predigtdienst macht Freude“, tue dein Äußerstes im Predigtdienst“ u.s.w. wird als Druck empfunden. Und wenn sie dann diese versprochene Freude nicht verspüren, haben sie den Eindruck das es an ihrem schwachen Glauben oder an ihrer schlechten Einstellung liegt.

Der „Zeitensatz im Predigtdienst“ ist bei uns leider der wichtigste Gradmesser unseres Glaubens. Lässt ein Verk. im Predigtdienst nach, ist sein Glaube schwach. Diese Argumentation mag für viele entmutigend sein. Das ständige Ringen um alle Vorgaben zu erfüllen, und das ständige erfahren des nicht gelingen, führt zu einem permanent schlechten Gewissen. Der Dienst für Jehova wird zu einer zeitlichen Belastung. Predigtdienst, persönliches Studium, Versammlungsbesuch und Vorbereitung, Predigtdienstschule, Pionierdienst, Kongresse, Dienstwoche, Traktataktionen u.s.w.

Dieses Problem scheint auch der Sklaven erkannt zu haben und immer wieder Angesprochen ( Siehe z. B. Wt v. 15. 12. 2009,  „ Alle Hände voll zu tun, und trotzdem viel Freude.“ )

Zitat: „Jehova wünscht sich für dich ein Leben voller Freude. Wahrscheinlich hast du im Dienst für ihn alle Hände voll zu tun, womöglich mehr als vor deiner Hingabe. Vielleicht weist du wegen der vielen Anforderungen…..,nicht mehr wo dir der Kopf steht. Eventuell hast du sogar ein schlechtes Gewissen, weil du nicht alles schaffst. „ u.s.w.

Was den Predigtdienst angeht, so zeigt es sich, das immer mehr Verk. überlegen, ob sie noch bereit sind einen Bericht abzugeben. Einige tun es auch bereits nicht mehr oder immer unregelmäßiger. Obwohl sie im Predigtdienst tätig sind geben sie keinen Bericht ab. Sie möchten nicht kontrolliert werden, und auch nicht, dass man sie und ihren Glauben an Hand ihres Berichtzettels beurteilt. Bei anderen hat man das Gefühl, dass sie den Bericht nur ausfüllen, um als glaubensstark dazustehen. Für viele junge Menschen aus unseren Familien ist es eine Form der Heuchelei, wenn sie sehen wie ihre Eltern als angesehene Verkündiger ihren Dienst für Gott und aus Liebe für ihre Mitmenschen durchführen. Schnell werden irgendwie einige Stunden zusammengebracht, in dem man mal hier oder dorthin fährt, Hauptsache die Zeit zählt.

Wenn ich die Struktur der Verkündiger in unserer Versammlung betrachte, dann ist es ein kleiner Teil der Verkündiger, die ihren Dienst gerne mit Freude und auch motiviert durchführen und auch Erfolg haben. Die übrigen tun irgendwie das was von ihnen erwartet wird um nicht als schwach zu gelten.

Kurz gesagt, eine zunehmende Zahl von Verkündigern empfinden die „Ermunterungen“ zu mehr Einsatz im Predigtdienst als permanenten Leistungsdruck, dem sie sich nicht mehr gewachsen fühlen. Die Reaktionen darauf sind so unterschiedlich, wie Menschen eben unterschiedlich sind. Während die einen es über sich ergehen lassen, und ihren Weg gehen, tun andere so als ob sie alles im Griff haben. Wiederandere wenden sich ab. All das kann man erfahren, wenn man sich mit den Brüdern über ihre Probleme unterhält, und sie das Gefühl haben, offen sprechen zu können.

Viele landen auch auf „Website“, wo sie sich mit anderen austauschen, die ebenfalls das Gefühl haben, in ihren ernsthaften Glaubensbemühungen versagt zu haben. Hier sehe ich eine große Gefahr, dass sich immer mehr Brüder innerlich abwenden.

Fazit: Aus den von mir beobachteten und hier dargelegten Fakten und Zitaten ergeben sich eventuell folgende Fragen.

Ist das Erfassen der Predigtdienststunden jedes einzelnen Verkündigers noch zeitgemäß und angebracht, zumal viel unserer Brüder die biblische Grundlage nicht mehr nachvollziehen können.

Sollte man es nicht vermehrt dem Einzelnen überlassen wie und in welcher Form und mit wie viel Zeiteinsatz er für Jehova tätig ist, ohne direkten oder indirekten Druck auszuüben, indem man ihm womöglich etwas abverlangt, was er nicht zu leisten vermag, weil er den Geist und die Gabe dafür nicht erhalten hat? Wäre es nicht angebracht, sich mehr auf den Geist Jehovas zu verlassen, denn er ist es ja, der den Nachfolgern Christi als Helfer versprochen wurde. Der Geist Gottes als Helfer ist es, der uns antreibt im positiven Sinn.

Wie Paulus uns lehrte hat jeder von uns besondere Gaben die er für Jehova einbringen kann. Röm 12 : 6. Alle Gaben, so verschieden sie auch sein mögen, kommen von Gott und stammen alle aus demselben Geist. Der eine hat die Gabe als Evangeliumsverkündiger zu wirken, der andere als Lehre oder als Aufseher und Hirte u.s.w.  Jedem hat Gott seinen Platz zugeteilt. Wenn wir es dem Geist Jehovas überlassen wo und wie jemand seine Glaubenswerke einbringt und so der Versammlung am besten dient, kann der Segen nicht ausbleiben. Vergl.1. Kor. 12 : 1 – 31

Unsere Aufgabe als Hirten sollte es doch sein die Schafe zu weiden und zu hüten, so wie es Jesus Christus dem Petrus auferlegt hatte, und nicht zu einem Dienst zu drängen, den sie nicht erfüllen wollen und können.

Durch diese Überlegungen wird der Auftrag des Predigens nicht ausgehebelt. Jesus gab diesen Auftrag bei seinem Weggang seinen Jüngern und versprach ihnen gleichzeitig den Heiligen Geist als Helfer. Ohne die Ausgießung des Heiligen Geistes zu Pfingsten hätten die Jünger niemals die Kraft gehabt diesen Auftrag auszuführen. Keiner hätte den anderen motivieren können auch nur einen Schritt zu tun, um das Verkündigungswerk voranzubringen.

Und auch heute ist es der Heilige Geist, der das Werk des Zeugnisgebens voranbringt, darauf können und sollten wir uns verlassen. Diese gute Botschaft wird gepredigt werden, prophezeite Jesus und zwar von Menschen die Jehovas Geist gemäß ihren Fähigkeiten dazu benutzt. Wir sollten nicht den Eindruck erwecken wollen, dass dieses Verkündigungswerk unseren Bemühungen und Aktivitäten zuzuschreiben ist.

Warum also nicht den öffentlichen Predigtdienst als eine Möglichkeit der christlichen Gaben zu betrachten, die jemand einbringen kann. Stattdessen wird der Zeiteinsatz für den Predigtdienst als Erfordernis für alle festgelegt, ja ohne Predigtdiensteinsatz kann sich keiner, der die Wahrheit erkannt hat, taufen lassen. Ist es wirklich unser Auftrag aus jeden Menschen einen Verkündiger zu machen, oder sollten wir sie nicht vielmehr zur Reue führen, damit jeder Mensch die Rettungsvorkehrung Jehovas annehmen kann, in dem er Gott und Jesus Christus fortgesetzt erkennt, denn dies bedeutet das ewige Leben. (Joh. 17 : 3 NW Fußnote.)  Durch das Wort Gottes kann jeder tauglich werden für jedes gute Werk. 2. Tim.3 : 17

Natürlich wird von jedem Nachfolger Christi erwartet dass er für seinen Glauben einsteht und ihn öffentlich bezeugt und seinen Glauben nicht verleugnet, doch gibt es dafür Zeitvorgaben oder Leistungsprofile seitens Jehovas?  „Mit dem Herzen übt man Glauben aus, mit dem Mund aber legt man eine öffentliche Erklärung ab zur Rettung“ Röm 10:10 NW.

Beschränkt sich diese öffentliche Erklärung nur auf den öffentlichen Predigtdienst oder nicht auch auf unser Bekennen zu Gott und Christus. In der Konkordanten Übersetzung heißt es wörtlich „mit dem Munde bekennt man zur Rettung“ oder in der Zink-Übersetzung „Man erlangt das Heil dadurch, das man zu seinem Glauben steht“ 

Vielleicht kommen wir auf diesem Wege von den sich immer mehr verstärkenden Leistungsevangelium weg, hin zu der Überzeugung, dass es der Geist Gottes ist der das Verkündigungswerk, und auch jeden Einzelnen seiner Diener segnet. Ich denke auch das die Sorge, dass das Werk des Predigens und Jünger machen einschläft, wenn wir es Jehova überlassen, und uns immer mehr an sein Wort und an seine Vorgaben orientieren unbegründet ist, im Gegenteil, die Mehrung wird kein Ende haben.

Das sind meine Überlegungen zu diesem Thema und zu diesen Problemen. Es ist mir bewusst, dass diese Gedanken vieles in Frage stellen, was bisher als unumstößlich galt.

Ich erwarte nichts, sondern möchte nur einen Gedankenanstoß geben, im Vertrauen darauf das es der Geist Jehovas ist, der das Werk leitet und den treuen und verständigen Sklaven die richtigen Entscheidungen treffen lässt.

In brüderlicher Verbundenheit Euer Bruder XXXX

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