Anmerkungen zum neuen Buch „Gottes Königreich herrscht“

Buch neu.001“Gottes Königreich herrscht” lautet der Titel des neuen Buches, das anlässlich der Kongressserie 2014 veröffentlicht wurde. Zum hundertsten Jahrestag der „Herrschaft von Gottes himmlischem Königreich“, das angeblich 1914 begonnen haben soll, wartet die leitende Körperschaft mit einer revidierten Version der Zeugen-Geschichte in den vergangenen 100 Jahren auf.

Damit löst diese Neuauflage die alte Ausgabe mit demAltes Buch.001 Titel “Zeugen Jehovas – Verkündiger des Königreiches Gottes” ab. Hatte man den Brüdern bereits mit dieser Ausgabe eine geschönte Geschichte der Organisation vorgelegt, so werden in der neuesten Auflage weniger ruhmreiche Begebenheiten, über die man die jüngste Generation lieber im Dunkeln lässt, gerne unauffällig in einer unscheinbaren Fußnote versteckt.

Greifen wir nur das Beispiel aus dem grauen Kästchen auf Seite 76 heraus, das überschriebenHaus der Fürsten.001 ist mit „Beth Sarim“, das „Haus der Fürsten“, das bezeichnender Weise hauptsächlich von Rutherford als Residenz genutzt wurde. Doch ursprünglich sollte es ein angemessenes Domizil für Abraham, Josef und David sein, die Patriarchen des alten Testaments, die nach der Erwartung der „Ernsten Bibelforscher“ 1925 auferstehen sollten. Diese abstruse Auffassung wurde auch damals schon begeistert als „neues Licht“ angepriesen.

 

Ebenso skurril wie Rutherfords Vorstellungen von der Erfüllung biblischer Prophezeiungen, die ihn veranlassten für die Patriarchen in einem Vorort von San Diego eine Villa zu bauen, war Russells Beharren auf der großen Pyramide von Gizeh als „Gottes Steinzeuge“. Er war felsenfest davon überzeugt, dass jeder Zentimeter im Inneren der Kammern die biblische Chronologie widerspiegeln würde, sodass er dieser Vorstellung sogar Bücher, Karten und Zeitschriftenartikel widmete.

Immerhin wurde diese bizarre Theorie auch nach Russells Tod im Jahre 1916 unter Rutherford bis 1928 im Wachtturm ganz offiziell als Glaubensartikel gehandelt. So leicht lassen sich die Menschen von geheimnisumwitterten Geschichten beeindrucken, wenn ihnen der Nimbus anhaftet, Gott habe es so gefügt. Fataler Weise tragen diese ominösen Fantasiegebilde auch nicht wenig zum Anspruch bei, die einzige von Gott erwählte Gruppe zu sein, der solche großartigen Offenbarungen zuteil werden, wo es sich in Wahrheit doch nur um Märchen für religiöse Fundamentalisten handelt. Heute will man natürlich nur ungern dazu stehen, da das Vertrauen in die Organisation und ihr Lehrgebäude weiter beschädigt werden könnte, was es unbedingt zu vermeiden gilt – will man sich doch nur von der besten Seite zeigen.

Die Art und Weise, wie die WTG mit ihrer Geschichte umgeht, erinnert doch sehr an die Praxis weltlicher Geschichtsschreibung. Die Herrscher dieser Welt unternehmen alles, um auf ihre eigene Regierungsperiode nur ja kein schiefes Licht fallen zu lassen. Insofern ist der Vergleich zutreffend, den die WTG als Beweis für die Realität der Herrschaft Christi auf Seite 26 anführt.

„Wie jede Regierung dieser Erde, so weise auch Christi Königreich vergleichbare Merkmale auf, so ihr Argument. Es bestehe aus einem König, einem Kabinett, einem Heer, einem Staatsgebiet und habe eben auch seine ganz spezielle Geschichte.“ In diesem Sinne äußerte sich auch Gerrit Lösch, als er dieses Buch auf dem Kongress vorstellte.

Leitende Körp..001Dass aber die selbst ernannten irdischen Vertreter der Regierung des Königreiches Gottes eine vergleichbare Geschichtsverfälschung betreiben wie die Regierungen dieser Welt, erwähnte er natürlich nicht.

Die heutige junge Generation des „Volkes Gottes“ wird vermutlich kaum erkennen, wie irrational und unhaltbar die Lehren der ehemaligen „irdischen Vertreter“ unter der angeblichen Regierung Jesu Christi in der Vergangenheit tatsächlich waren. Das ist auch dem Umstand geschuldet, dass die ältere Ausgabe des Geschichtsbuches der Zeugen in nur wenigen Sprachen verbreitet wurde.

Mit der neuen Buchveröffentlichung wird die junge Zeugen-Generation jedoch mit einer noch weitaus stärker geschönten Sicht auf die ohnehin schon unrühmliche Vergangenheit der Organisation konfrontiert. Wie in den Medien schon lange Usus, werden auch sie nur das erfahren, was die leitende Körperschaft der WTG sie wissen lassen möchte. Diese neu überarbeitete Geschichtsklitterung enthält von allem etwas und ist ein bunter Mix aus Fantasie, geschönter Desinformation und vorsätzlicher Unterlassung von Fakten. Jedem logisch denkenden Leser sollte indes auffallen, auf welch schwachen Füßen die angeblichen Beweise ruhen, die belegen sollen, dass Gottes Königreich seit 1914 eine Realität sei. Leider wird das Gros der Zeugen dies aber weder erkennen können noch sehen wollen. Die Reaktion der Brüder auf die Ansprache von Bruder Lösch, die von Frankfurt an alle Kongressorte übertragen wurde, lässt dies zumindest vermuten.

So bewahrheitet sich eben auch in diesem Fall, was einst Napoleon so treffend auf die knappe Formel reduziert hatte: „Geschichte ist die Lüge, auf die man sich geeinigt hat.“

Am Ende seiner Darlegung wandte sich Bruder Lösch an die Zuhörer und fragte: „Brüder, was ist das Königreich Gottes für uns? Eine … – dann eine Kunstpause, um die Spannung zu steigern, worauf die Masse erwartungsgemäß, wenn auch zögerlich, im Chor antwortete, …R-e-a-l-i-t-ä-t!

Ja, wer es versteht, die Menschen auf einer Begeisterungswelle reiten zu lassen, lässt sie auch des Kaisers neue Kleider sehen und führt sie, wohin er will. Mit einer emotional aufgeheizten Stimmung, wie sie charismatische Redner gerne erzeugen, waren die Menschen seit jeher zu begeistern und zu beeindrucken. Einen vorgekauten Brei zu repetieren ist dabei sehr bequem und zudem effizienter, als sie mit einer logischen Argumentation überzeugen zu wollen, die ein Mitdenken erfordert.

So stellt der Sklave auch in diesem Buch nach dem Motto „Nachdruck durch Wiederholung“ am Ende eines jeden Kapitels dieselbe Suggestivfrage: „Wie real ist das Königreich für dich“? Die Antwort wird unterschwellig bereits mitgeliefert und kann nur lauten, „absolut real!“

Natürlich ist das Königreich Gottes realer Bestandteil dessen, was Christus zu seiner Zeit umsetzen wird, nur hat es mit dem Jahr 1914 nicht das Geringste zu tun.

So ist es eben nichts weiter als pureGehirnwäsche, wie schon Adolf Hitler in „Mein Kampf“ bemerkt hatte: „Sie (die Propaganda) hat sich auf wenig zu beschränken und dieses ewig zu wiederholen. Die Beharrlichkeit ist hier …die erste und wichtigste Voraussetzung zum Erfolg… nur einer tausendfachen Wiederholung einfachster Begriffe wird sie [die Masse] endlich ihr Gedächtnis schenken“.

Auf die skurrilen Beweise für diese angebliche „Realität“ werden wir später noch eingehen. Es wird sich zeigen, dass schon der Titel dieses Buches eine unbewiesene Behauptung darstellt, die natürlich von seinen Lesern keinen Widerspruch duldet.

Russel.001Alleine schon der Bericht darüber, als Bruder Russell am Freitag, den 2. Oktober 1914 in den Speisesaal der Bethelfamilie eintrat und freudig ausrief, „der Heiden Zeit ist nun zu End‘, der Könige Tage vorbei, Gottes Königreich herrscht“, lässt aufhorchen. Man fragt sich, warum Gott ausgerechnet auf einen einzigen Mann zurückgreifen musste, um ihn dieses epochale, aber unbewiesene Ereignis zu einem Zeitpunkt erkennen und verbreiten zu lassen, als es nachweislich nicht stattfand.

Gemäß Mat. 24:26,27 sagte Jesus: Wenn euch jemand erzählt: ‘Der Retter ist schon da, so glaubt ihm nicht, geht nicht hin. Und wenn er sich irgendwo (unsichtbar) verborgen halten soll, glaubt es nicht. Denn der Menschensohn kommt für alle sichtbar – wie ein Blitz, der von Ost nach West am Himmel aufzuckt.(Also werden es alle sehen.)

Jesu zweites Kommen sollte gemäß seinen eigenen Worten demnach nicht im Himmel, sondern für alle Menschen sichtbar als Übernatürliche Erscheinung stattfinden, als Ereignis, das keinem menschlichen Auge verborgen bleiben könnte. In Zeugenkreisen will man davon allerdings nichts wissen; lieber bevorzugt man die unsichtbare Gegenwart Jesu im Himmel, die kein Mensch sehen oder beweisen kann. Damit lässt sich ein unhaltbares Dogma auch leichter in die Welt setzen. Doch hat das griechische Wort „parusia“ eben auch die Bedeutung von „Wiederkunft“ und nicht nur von „(unsichtbarer) Gegenwart“.

Für eine solch raffinierte Irreführung kommt eigentlich nur einer in Betracht, nämlich der große Irreführer, der die Macht über die ganze bewohnte Erde innehat und alle irreführt. Wer wollte dieser biblischen Feststellung schon widersprechen? Etwa die zahllosen religiösen Gruppen, denen eingeflüstert wird, sie seien auf dem richtigen Weg? Was Jesus einst den sieben Versammlungen in Kleinasien diesbezüglich zu sagen hatte, lässt aufhorchen.

„Attraktive Veröffentlichungen“ aufgrund wahrheitsgemäßer Darstellung?

Die äußere Anmutung und Ausführung des Buches müssen selbst bei gutem Willen als nurBuch gebraucht.001 wenig ansprechend beurteilt werden. Natürlich ist das eine Geschmacksfrage, doch will die düster wirkende Grafik des Bucheinbandes dem freudigen Ereignis dieser Veröffentlichung nicht so richtig gerecht werden. Im Gegensatz zur vorangegangenen, ansprechend gebundenen Ausgabe kommt das neue Bändchen in einem billigen Papiereinband daher, das bei emsigem Gebrauch schnell unansehnlich werden dürfte.

Der Gepflogenheit der WTG entsprechend, wendet sie sich in der Einleitung in einem Brief an die Leserschaft und stellt auf Seite drei nicht ohne Stolz fest, „Mit Jehovas Segen über unserer Arbeit sind wir nun in der Lage, unsere attraktive biblische Literatur in mehr als 670 Sprachen zu veröffentlichen und sie allen kostenlos anzubieten.“

Wie Splane von der LK sich in einem Video bereits äußerte, sind längst nicht alle WT-Publikationen in 670 Sprachen verfügbar. Ob das jüngste Druckerzeugnis nun vom äußeren Eindruck her als attraktiv beurteilt werden kann, ist eher Geschmackssache und daher zweitrangig, doch leider zeugt der Rückblick auf die vergangenen 100 Jahre Zeugengeschichte nicht eben von der Liebe zu einer aufrichtigen und wahrheitsgemäßen Berichterstattung. Angesichts der immer kürzer werdenden Halbwertszeit der Veröffentlichungen dürfte aber selbst dieser Umstand nicht allzu hoch gewichtet werden.

„Nachprüfbare Beweise“ oder Behauptungen?

Wegen der überragenden Bedeutung des Begriffs „Beweis“ möchten wir an dieser Stelle kurz auf die Definition eingehen: Ein Beweis ist eine durch anerkannte Fakten und Verfahren nachprüfbare Bestätigung, die einen logischen und sinnvollen Bezug zum Gegenstand der Beweisführung bietet und die bloße Vermutung zur Gewissheit werden lässt. Eine pure Behauptung ist indes noch lange kein Beweis und daher für eine Verifizierung strittiger Darstellungen unzulässig.

Die folgenden Überschriften der einzelnen Kapitel beinhalten reine Behauptungen, die von der WTG aber gerne als unumstößliche Beweise verkauft werden:

1. Gottes Königreich – (die WTG )- sorgt für geistige Speise

2. Gottes Königreich – (die WTG) – wird weltweit bekannt gemacht

3. Gottes Königreich – (die WTG) – hilft Gottes Gerechtigkeit zu suchen

4. Gottes Königreich – (die WTG) – verteidigt die gute Botschaft

5. Gottes Königreich – (die WTG) – sorgt für Bildung

6. Gottes Königreich – (die WTG) – unterstützt Bau- und Hilfsmaßnahmen

Für die Zeugen ist der Begriff „Gottes Königreich“ ja längst gegen das Akronym „WTG“ austauschbar, da man ganz offenkundig im Werk der Zeugen den manifestierten Willen Gottes sehen will. Wer anderer Ansicht ist, sollte damit lieber zurückhaltend sein, wenn er nicht zurechtgewiesen oder schließlich exkommuniziert, sprich ausgeschlossen werden will. In totalitären Systemen sind vom Führungsgremium abweichende Ansichten nicht verhandelbar. Die Erörterung von Standpunkten ist tabu und kommt der Denkträgheit der Mehrheit entgegen.

Sehen wir uns weiter die Behauptungen an, wofür den Beweis anzutreten man nicht für nötig erachtet, da es doch jeder echte Zeuge einfach blind glaubt, schließlich stammen sie vom „Sklaven“.

Auf Seite 11 tönt man: “Wir haben genügend Beweise dafür, dass die Prophezeiung Jesu aus Matthäus 24 und 25 im Jahre 1914 ihre Erfüllung fand und Gottes Königreich zu regieren begann.

Wir werden etwas später noch einmal ausführlicher auf dieses Thema zu sprechen kommen.

Auf Seite 77 wird postuliert:der König hat eindeutig die Methoden gesegnet, die wir angewandt haben, um das Königreich zu verkündigen.“

Seite 145 wartet endlich mit Beweisen auf, die jedoch bei näherer Betrachtung in keinem Zusammenhang mit der Behauptung stehen, die man damit stützen will:Unsere Siege vor Gerichten beweisen, dass wir in Gemeinschaft mit Christus sind.“

Und so geht es weiter…

Seite 185: „Alle diese theokratischen Schulen sind ein starker Beweis dafür, dass unser König seine Diener wirkungsvoll ausgerüstet hat ihren Dienst zu erfüllen“. – Wenn man es denn so sehen will…

Die weltweiten Einrichtungen von Schulen zur Vermittlung von Lerninhalten nach dem Zuschnitt der LK sind zumindest ein Beweis für ihr Organisationstalent und den Bienenfleiß ihrer gläubigen Unterstützer. Viel mehr kann man bei nüchterner Betrachtung darin aber nicht erkennen.

Auf Seite 208 wird gar behauptet, dass die „Werte der Zweigbüros und Gebäude sowie Hunderter von Montagehallen und Zehntausender von Königreichssälen auf der ganzen Welt greifbare Beweise dafür seien, dass das Reich Gottes real sei und nun schon 100 Jahre herrschen würde“.

Sind denn die materiellen Werte der katholischen Kirche mit ihren zahllosen Kirchengebäuden, Ländereien und ihren Beteiligungen bei namhaften Firmen weltweit ebenfalls als Beweis für die Billigung Gottes zu betrachten? Das ist eine ungeistige und absolut materialistische Betrachtungsweise, die im Licht biblischer Erkenntnis keinerlei Bedeutung hat.

Im letzten Kapitel auf Seite 235 wird vollmundig erklärt: „Jedes Kapitel dieses Buches enthält starke Beweise dafür, dass Christus uns in dieser Zeit des Endes in ein echtes geistiges Paradies gebracht hat.“

Im Auge der zeugenhörigen Gläubigen mag das ja so sein, aber mit einem Beweis im Sinne der Definition hat das nun leider gar nichts zu tun. Eine Behauptung, wird eben so lange wiederholt, bis sie der letzte gut- bzw. leichtgläubige Zeuge als göttliche Wahrheit verinnerlicht und jede kritische Nachforschungsarbeit längst als überflüssig aufgegeben hat. Danach ist der Weg für weitere Behauptungen des Sklaven geebnet, die man allesamt ungeprüft als Aussprüche Gottes wertet. Hier geschieht eben genau das, was man etwa den Katholiken mit ihrer Marienverehrung oder mit Himmel und Hölle seit Kindesbeinen an eingetrichtert hat. Auch sie sind von den Glaubensinhalten ihrer Kirche völlig überzeugt, die man sie über lange Jahre immer und immer wieder gelehrt hat, so lange, bis keiner mehr die Haltbarkeit der Dogmen infrage stellt.

Ganz unmerklich ist dann an die Stelle von Gottes Wort als letzter Autorität in Glaubensfragen ein Priester, ein Papst, ein Guru oder eben ein „treuer und verständiger Sklave“ als maßgebliche Instanz getreten, dessen göttliche Legitimation anzuzweifeln bereits im Keim erstickt oder als ungehörig gebrandmarkt und sanktioniert wird. Nachforschungen anhand des göttlichen Maßstabs mit dem Ziel Lehrinhalte zu bestätigen und so Schritt für Schritt den Glauben zu stärken, führen ausnahmslos zur Missbilligung des Sklaven, der verantwortlichen Ältesten und nicht zuletzt der gesamten Bruderschaft.

Menschen mit anderen Meinungen gelten als Spaltungen verursachende Aufwiegler, Defätisten und gefährliche Dissidenten, die man als bezeichnet hält, da sie mit ihren Nachforschungen die christliche Einheit der Versammlung zu gefährden drohen. – Wir fragen uns nur, wie das sein kann, wo uns die Schrift doch dazu auffordert, selbst im Wort Gottes nachzuforschen und darüber nachzusinnen, ja völlig darin aufzugehen. – Ja, da würden unsere edel gesinnten Beröer mit ihrer biblischen Nachforschungsarbeit heute wohl eher wenig Sympathie ernten.

Wenn Schulungsprogramme jeglicher Art, rechtliche Siege oder eine Unmenge von Sälen und Druckereien Beweise dafür sind, dass Jesus Christus die Wachtturm-Organisation billigt, dann muss dasselbe auch für vergleichbare Aktivitäten im römischen Katholizismus, bei den Mormonen, der anglikanischen Kirche von England oder jeder größeren christlichen Konfession gelten. In den vergangenen Jahrhunderten haben sich diese Kirchen jedenfalls bei der Verbreitung von Bibeln weit mehr verdient gemacht als die Zeugen, auch wenn sie gerne das Gegenteil behaupten.

Der Hang zur Übertreibung und zur selbstverherrlichenden Eigendarstellung ist in dieser Veröffentlichung ein beredtes Zeugnis dafür, dass darauf eben nicht das Wohlwollen des Schöpfers ruht. Denn mit Demut und Respekt vor dem Wort und dem Benehmen eines Geringeren haben all diese Selbstüberhöhung und der falsche Stolz auf menschliche Leistungen nichts zu tun. Die angeblichen Beweise sind dem Aktionismus und dem Eigenlob einer menschlichen Organisation und eben gerade nicht dem Segen Gottes geschuldet.

Beispielsweise wird auf Seite 78 in einer Fußnote erklärt: „In den letzten zehn Jahren hat Jehovas Organisation mehr als 20 Milliarden biblische Veröffentlichungen produziert. Darüber hinaus ist unsere Website jw.org jetzt auch für die mehr als 2,7 Milliarden Menschen weltweit zugänglich.“

Wie bereits erwähnt, wird ein Dogma, ungeachtet dessen, ob es weltweit in mündlicher oder in schriftlicher Form verbreitet wird, nicht schon deswegen richtig, nur weil es ständig wiederholt oder millionenfach verbreitet wird. Damit lassen sich vielleicht Menschen beeindrucken, die ihren Blick auf die messbaren Leistungen einer Organisation gerichtet halten. Da will man mit Aufsehen erregenden Statistiken glänzen, wie etwa mit dem Web-Publikum von beeindruckenden 2,7 Milliarden Teilnehmern.

Im Vergleich hierzu haben die Seiten JWfacts.com, AAWA.com, JWstruggle.com und andere durchweg vergleichbare Zahlen vorzuweisen, und wir fragen uns wieder, was man damit „beweisen“ will.

Denken wir nur an die Beweise, die Jesus Christus lieferte, als er hier auf der Erde war. Es waren Beweise, die eindeutig nicht von Menschen erbracht werden konnten. Jeder einfache Mensch konnte erkennen, dass der verheißene Messias gekommen war, und es waren keine geschönten menschlichen Erklärungen nötig. Sollte Jesus bei seiner zweiten Wiederkunft nicht mindestens ebenso eindeutige Beweise ins Feld führen, damit jeder Mensch dieses so bedeutende Ereignis zweifelsfrei wahrnehmen kann? Die Antwort der Bibel ist ein klares Ja.

Neues Licht – und die „Demut“ der Leitenden Körperschaft

Beim Lesen dieses Buches fällt auf, wie man mit dem angeblich „neuen Licht“ bei wichtigen Lehren hausieren geht, indem sie bei jeder Gelegenheit als besonderer Segen Jehovas herausgestellt werden. – Doch altes Licht oder alte unhaltbare Lügen gegen neue Lügen oder „neues Licht“ zu ersetzen, kommt der Wahrheit eben nicht näher…

Seite 12 stellt die „überlappende „Generationen-Lehre“ visuell dar, die seit ihrer Einführung im Jahr 2010 bei denkenden Zeugen nur ungläubiges Staunen, wenn nicht gar Heiterkeit hervorruft. Mittlerweile unterteilt man die Generation, von der Jesus in Matthäus 24:3 spricht, und die nicht vergehen würde, bis alle diese Dinge geschehen“, aus der Not heraus einfach in zwei unterschiedliche Gruppen ein. Die eine davon soll in unserer heutigen Zeit leben, während die andere, welche die Ereignisse von 1914 miterlebt haben soll, allmählich ausstirbt.

Wenn ein Lehrpunkt der WTG nicht mehr zu halten ist, weil irgendwann auch einfache Gemüter merken, dass etwas nicht stimmen kann, überrascht sie immer wieder durch erfindungsreiche Rösselsprünge und skurrile Erklärungsversuche, die sie aus dem Hut zaubert, bleibt aber den biblischen Beweis dafür schuldig. Mit „neuem Licht“ bügelt man problemlos und ohne Not jede Scharte aus, und die Gemeinde nimmt es so dankbar an wie die Erde den Morgentau.

Mit „neuem Licht“ kommt man erst gar nicht in die Verlegenheit zu beweisen, dass Jesus zwei Gruppen im Sinn hatte, als er von dieser Generation sprach. Trotz aller Finessen und Spitzfindigkeiten dürfte dieser Beweis auch kaum zu erbringen sein. Der Sklave fährt mit seinen Zeugen ganz einfach Karusell.

Mit der Autorität eines göttlichen Boten, dessen Nachricht nicht diskutabel ist, sagt er uns gleichsam: „Nachdenken und kritisieren sofort einstellen, am himmlischen Manna wird nicht herumgemäkelt! Wenn es sich nun einmal um zwei Generationen handelt, deren Lebenszeiten sich überschneiden, dann ist das als neuer Erkenntnisgewinn so von euch zu akzeptieren. Schließlich schreitet der Sklave ständig voran und lässt euch gnädiger Weise an seinen Eingebungen teilhaben.“ So wird dieses neue Verständnis in diesem Buch nach bewährter Methode häufig wiederholt, um es im Sinn der Leser möglichst rasch als festen Bestandteil des Glaubensgebäudes zu verankern. Das setzt man solange fort, bis die Gruppe der Kritiker auf einen ungefährlichen Rest geschrumpft ist.

Seite 23 erinnert uns daran, dass Jesus im Jahr 1919 den „treuen und verständigen Sklaven“ ernannte: „…eine kleine Gruppe gesalbter Männer, die die Führung seines Volkes übernehmen sollte.“

So wird uns auf den Seiten 61 und 62 versichert, dass der Sklave besonders ab diesem Zeitpunkt damit begonnen habe, geistige Speise auszuteilen. Sie tritt in Form von gedruckten Publikationen und Lehrveranstaltungen in Erscheinung, die sich in ständigen Appellen ergehen, dass von nun an alle wahren Christen in der Verantwortung stünden, sich am Predigtwerk von Haus zu Haus zu beteiligen. All diejenigen, die das ablehnen, sind Abtrünnige, die nicht in der Lehre Christi geblieben sind und daher ausgeschlossen werden müssen, um „die Versammlungen rein zu erhalten“.

Seite 37 enthält einen Haftungsausschluss bezüglich falscher Aussagen und neuer Kehrtwenden im Lehrgebäude des „Sklaven“ und erinnert an die AGBs einer Firma. Damit schreibt sich die WTG aber selbst diplomatische Immunität zu: Wer sie kritisiert oder ablehnt, erhebt sich in Wirklichkeit gegen Gott selbst. Wie manch anderes in diesem Buch, verfolgt man hier den Zweck, die Organisation als „heilig“ und oberste Glaubensinstanz zu präsentieren:

„Wie Kapitel 4 und 5 dieses Buches zeigen, musste Gottes Volk in den vergangenen 100 Jahren ihr Verständnis bei einer Reihe von Gelegenheiten korrigieren. Bedeutet diese Tatsache, dass sie nicht Gottes Segen haben? Im Gegenteil! Er unterstützt sie. Wieso? Weil die, die Jehova fürchten, zwei Eigenschaften zeigen, die Gott liebt: Glaube und Demut!“ (Heb 11:6, Jak 4:6) – Da werden diese beiden wertvollen Eigenschaften doch allen Ernstes mit Leichtgläubigkeit in einen Topf geworfen.

„Jehovas Diener haben Glauben, dass alle Verheißungen in Gottes Wort wahr werden. Sie zeigen Demut, wenn sie zugeben, dass sie falsch verstanden haben, wie genau sich diese Verheißungen erfüllen werden.“ (Gottes Königreich herrscht, Seite 37)

Wirklich demütig wäre es dagegen gewesen, den Mund nicht vorschnell so voll zu nehmen und mit den übereilten Prognosen noch etwas zu warten – das hätte viel neues Licht erspart.

Ja, man ist mit selbst doch außerordentlich verständnisvoll, nachsichtig und gnädig, wo wir doch alle so unvollkommen sind! Da heftet der Sklave doch glatt jedem Untertan die Demut und den Glauben an die Brust wie einen Orden. Der Ton wird jedoch sofort ungleich rauer und unversöhnlich, wenn man die bösen Machenschaften, die Verirrungen und das Unvermögen die Bibel richtig zu verstehen bei den bösen religiösen Konkurrenten sieht. Das schadet aber nicht, sondern hebt im Gegenteil das Bewusstsein um die gottgewollte Abgehobenheit gegen den Rest der Menschheit zu verdeutlichen.

Dieses Problem ist alt, und so mahnte einst Paulus: „Du, der du andere lehrst, belehrst dich selbst nicht?“ – So führt der „Herrscher der Gewalt der Luft“ diese Leute eben am Nasenring und lässt sie ständig von dem Kakao trinken, durch den er sie zieht.

Unter der Überschrift auf Seite36: In der „Zeit des Endes“ wird die wahre Erkenntnis „überströmend“ versteigt man sich zu dieser Aussage: „Doch wir können die Bibel noch so gewissenhaft untersuchen – die Wahrheit über das Königreich verstehen wir nur, wenn Jehova uns diese Erkenntnis schenkt.“ – Wenn das so ist, warum sollten wir dann noch mit den Menschen die Bibel studieren? Oder sind die Verkündiger etwa die Verlängerung des göttlichen Mitteilungskanals in Form der WTG?

Sollte sich Gott etwa ständig korrigieren müssen? Nein? Von wem stammt dann das „neue Licht“, wenn diese Erkenntnis nach dem Überschreiten des Verfallsdatums immer wieder verworfen und durch neue Spekulationen und Behauptungen ersetzt werden muss? Kann man denn absehen, wann diese geistigen Häutungen endlich einmal aufhören werden? Oder schüttelt die WTG ihre Unterstützer mit ihrem Zickzack-Kurs so hin und her wie ein Hund seine Beute schüttelt? Nach dem Gesetz der Serie ist doch jede neue Wendung im vermeintlichen Verständnis bereits schon wieder veraltet, wenn sie die WTG mit großem Brimborium auf ihre weltweite Gefolgschaft ausgießt. Doch keine Bange, der „Lichtträger“ verfügt über einen unerschöpflichen Pool an „neuem Licht“.

Kein Wunder, dass auch sein Sklave den Anspruch geltend macht, die wahre Erkenntnis von Gott erhalten zu haben, auch wenn sie sich immer wieder als falsch erwiesen hat und die Untertanen keine andere Wahl haben, als dieses unbekömmliche Manna aus der Küche des großen Unholds zu schlucken. Doch mit „verblendetem Sinn“ stellt man sich selbst immer wieder das Zeugnis des erwählten Volkes Gottes aus und fühlt sich durch Jesu Worte aus Matthäus 13:11 als elitäre Gruppe bestätigt: Euch, (den Jüngern Jesu) ist’s gegeben, die Geheimnisse des Himmelreichs zu verstehen, diesen aber (den Juden) ist’s nicht gegeben.

Bereits Jesaja prophezeite: „Hörend werdet ihr (die Juden) hören und doch nichts verstehen.“

Natürlich wendet man diese negative Beurteilung nicht auf sich selbst an; damit sind ja immer nur die anderen gemeint, die keine Erkenntnis besitzen. Damit ist der Anspruch im Besitz der Wahrheit zu sein, so lange illusorisch, wie keine äußeren Beweise auf der Grundlage der Bibel vorliegen. Das Beharren auf grundlosen Behauptungen kann demnach nur das Ergebnis einer lang anhaltenden Gehirnwäsche sein. Und darin ist nur einer der wahre Meister, der Herrscher der Welt.

Würde die leitende Körperschaft ihr Verständnis auf einer „Nimm es an, oder lass es“-Basis stellen, wäre das eine Sache. Steht aber eine Person mit ihrer Bibelerkenntnis auf, die nicht den „zeitgemäßen“ Lehren entspricht, wird sie einfach niedergeknüppelt: familiäre Entfremdung und Verbalinjurien wie „Dämonisierung“, „geistig Kranker“ und „Abtrünniger“ sind die bekannten Sanktionsmaßnahmen.

In letzter Zeit tendiert die LK dazu ihre Sanktionen noch zu verschärfen, um den Abschreckungseffekt gegen Ungehorsam zu verstärken. Statt Langmut gepaart mit dem Geist der Milde und echter Zuneigung zu ihren Brüdern stellt man eher einen Geist der Abgehobenheit und Arroganz fest. Das aber entspricht so gar nicht unserem Vorbild Jesus Christus. Der Sohn Gottes war ohne jeglichen Anflug von Überheblichkeit, dafür aber von Herzen mildgesinnt und demütig.

Diese Tatsache relativiert auch die scheinheiligen Aussagen auf den Seiten 147 und 153, auf denen die Wachtturmgesellschaft sich dafür rühmt, auf dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erfolgreich Berufung für die „Freiheit der Gedanken, des Gewissens und der Religion“ eingelegt zu haben.

Der Artikel 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention garantiert allerdings nicht nur die Freiheit zur Religionsausübung, sondern auch die „Freiheit der Gedanken, des Gewissens und der Religion“. Natürlich gilt das auch für den Fall, dass jemand seine Glaubensansichten ändert. Einem Zeugen Jehovas wird das jedoch verwehrt und sogar mit dauerhafter Ächtung in der Familie geahndet.

Das Buch wartet mit einigen Aussagen auf, die dem unterrichteten Leser die Haare zu Berge stehen lassen. Einige davon, die sich auch gut zur Besprechung mit indoktrinierten Verwandten eignen könnten, sollen nachfolgend beleuchtet werden.

Organisatorische Veränderungen – begrenzt oder unbegrenzt?

Ein verwirrender Bestandteil des „neuen Lichts“, welches den treuen Sklaven wie ein unauslöschlicher Heiligenschein umgibt, ist die Vorstellung, dass Christus die Erde 1914 besucht haben und die Läuterung der frühen Bibelforscher bis 1919 überwacht haben soll, was auf Seite 100 wie folgt beschrieben wird:

„Von 1914 bis ins frühe 1919 hat Jehova es gestattet sein Volk durch verschiedene Prüfungen und Drangsale gehen zu lassen, um es zu reinigen und zu läutern. Demnach erhoben sich diese Gesalbten in einem geläuterten Zustand, erpicht darauf, ihre Unterstützung für den messianischen König zu zeigen!“ (Gottes Königreich herrscht, Seite 100)

Mit einem derart genau spezifizierten Zeitraum von fünf Jahren der Zusammenarbeit mit Jehova und Christus, sollte man annehmen, dass alle notwendigen Säuberungen Ende 1919 abgeschlossen sein sollten. Doch im nächsten Absatz lesen wir etwas anderes:

„War das das Ende der Läuterung und Säuberung für das Volk Gottes? Nein! In den letzten Tagen setzte Jehova es fort, seinen Anhängern durch den messianischen König zu helfen, rein zu sein, damit sie in dem geistigen Tempel bleiben könnten“. (Gottes Königreich herrscht, Seite 101)

Wir fragen uns nur: Wenn Gottes Volk tatsächlich zwischen 1914 und 1919 gesäubert wurde, warum dauerte es dann immer noch Jahrzehnte für ständig weitere Säuberungen? Wann soll die Zeit der Säuberungen denn enden?

Die Leitende Körperschaft scheint sich nicht entscheiden zu können, oder sie erkennt schlicht nicht die Notwendigkeit dazu. Der einzige Erklärungsversuch wird auf Seite 108 angeboten, auf der uns erzählt wird, dass beständige Weiterentwicklung notwendig sei, weil „Satan niemals damit aufhören würde zu versuchen Christi Nachfolger zurück in den Sumpf der Unmoral zu ziehen.“ Aber Moral ist die eine Sache… organisatorische „Nachbesserung“ ist das andere.

Nehmen wir als Beispiel die Anordnung zur Ernennung der Ältesten.

Rückwärts gehen, um vorwärts zu kommen?

Seite 119 beschreibt organisatorische Verbesserungen hinsichtlich der Ältestenschaft unter Bezug auf Jesaja 60:17: Ich will Gold anstatt des Erzes und Silber anstatt des Eisens bringen und Erz anstatt des Holzes und Eisen anstatt der Steine; und will zu deiner Obrigkeit den Frieden machen und zu deinen Vögten die Gerechtigkeit.“

Der nächste Absatz ist die Wiedergabe eines Auszugs mit der Hervorhebung durch den Autor:

Jesajas Prophezeiung besagt, dass ein Material durch ein anderes ersetzt werden würde. Aber beachte, dass dieser Ersatz Veränderung bedeutet, nicht vom schlechten zum Guten, sondern vom Guten zum Besseren. Kupfer durch Gold zu ersetzen, ist eine Verbesserung und das gleiche gilt auch für die anderen erwähnten Materialien.
Also sagte Jehova mit diesem Sinnbild voraus, dass sich der Zustand seines Volkes Schritt für Schritt verbessern würde.
“ (Gottes Königreich herrscht, Seite 119)

Diese Aussage könnte deutlicher nicht sein: Organisatorische Anpassungen gehen nur in eine Richtung: Nämlich vorwärts und nicht rückwärts. Behalten wir das im Sinn und betrachten wir, was dasselbe Kapitel über die Ernennung der Ältesten in den folgenden Absätzen ausführt:

„Der Wachtturm vom 15.11.1895 kündigte eine weitreichende Veränderung an. In jeder Gemeinde sollten Älteste gewählt werden, die die Aufsicht über die Herde übernehmen sollten.“ (Gottes Königreich herrscht, Seiten 118, 119).

Und so wurde unter Russels Leitung eine Anordnung getroffen, nach der es für jede einzelne Gemeinde oder Versammlung Ältestenschaften geben sollte, statt eines einzigen Führers.

Aber Rutherford hatte andere Ideen, wie es Raymond Franz in seinem Buch „Der Gewissenskonflikt“ beschreibt:

„Die biblische Anordnung der Ältestenschaft wurde 1932 von Richter Rutherford beendet, aufgrund mangelnder Kooperation mancher Ältester mit den Programmen und Richtlinien der Gesellschaft. Seine Stellung als Präsident gab Rutherford die nötige Autorität, einen solchen Standpunkt zu vertreten, und alle Versammlungen wurden aufgefordert, für die Auflösung der Ältestenschaft und für ihre Ersetzung durch eine von der Gesellschaft ernannten „Dienstleiter“ zu stimmen.

Für die nächsten 40 Jahre gab es keine Ältestenschaften in den Versammlungen. Deshalb benutzte die Neue Welt Übersetzung der Heiligen Schrift, die von der Gesellschaft in den 1950-ern veröffentlicht wurde, regelmäßig den Begriff „ältere Männer“ statt „Älteste“, ein damals offiziell in Verruf geratener Ausdruck.“ („Der Gewissenskonflikt“ von Raymond Franz, Seiten 26, 27)

Diese Version der Ereignisse stimmt genau mit der Erzählung überein, die im neuen Buch „Gottes Königreich herrscht!“ präsentiert wird:

Von 1932 bis 1972, wurde die Aufsicht über eine Versammlung hauptsächlich von nur einem Bruder getragen. Bis 1936, wurde ein solcher ernannter Bruder „Dienstleiter“ genannt. Danach wurde der Name in „Gemeindediener“, anschließend in „Versammlungsdiener“ und zuletzt in „Versammlungsaufseher“ geändert. Diese ernannten Brüder sorgten eifrig für das geistige Wohl der Herde. Der Versammlungsaufseher traf üblicherweise Entscheidungen für die Versammlung, ohne mit anderen Dienern in der Versammlung Rücksprache zu halten.“ (Gottes Königreich herrscht, Seite 122 ff)

Man fragt sich unwillkürlich nach dem Sinn dieser organisatorischen Rösselsprünge. Man ging von einer „theokratischen“ Ernennung der Ältesten unter Russell zu einer nichttheokratischen Ernennung eines „Versammlungsdieners“ unter Rutherford über. Danach kehrte man unter Knorr zur ursprünglichen Variante zurück. Wie lautet die Erklärung für dieses Hin-und-Her an organisatorischen Veränderungen, wie sie auf Seite 119 beschrieben werden? Wurden diese Meilensteine von organisatorischen Änderungen auf Anweisung des Königs Jesus Christus umgesetzt? Hat man sich damit etwa „vom Guten zum Besseren“ bewegt?

Was die nahe Zukunft bringt!

Doch es werden nicht nur Vergangenheit und Gegenwart der Organisation Gottes falsch dargestellt, nein, man orakelt weiter darüber, was wohl die nahe Zukunft bringen wird. Da ist Fantasie gefragt. Die Zeugen lauschten immer schon gerne fantastisch ausgeschmückten Erzählungen über die Zukunft, die geeignet waren, das Paradies so auf ihr inneres Auge zu projizieren, dass man es mit Händen greifen zu können wähnte. Mit solchen Imaginationen gewürzte Kongresse lassen das Auge des Zeugen aufleuchten und sein Herz höher schlagen, bestärken ihn in seinem Entschluss fest hinter seinem Sklaven zu stehen – und – machen ihn für logische Argumentationen endlich und vollends unempfänglich und beratungsresistent.

Zukunft.001Eine düster wirkende Grafik auf den Seiten 224 und 225 stellt Ereignisse vor, die bis zum Ausbruch von Harmagedon zu erwarten sind, darunter einen Angriff der Vereinten Nationen gegen die Religionen. Die Wachtturmgesellschaft scheint schon vergessen zu haben, dass sie in den Vereinten Nationen selbst schon viele Jahre als NGO (Nichtregierungs-Organisation) registriert war (siehe unterWachturm der ehemalige Busenfreund).Die Kette eskalierender Ereignisse gipfelt in der Schlacht von Harmagedon, wenn„Jehova seinen König schickt, um alle Getreuen zu retten.“

Um die „Realität“ der zukünftigen Entwicklung zu unterstreichen, sieht man auf Seite 229 eine riesenhafte Christus-Gestalt – die auffallend an Kenny Rogers erinnert – mit einem Bogen in der Linken vom Himmel kommend erdwärts stürmen, grimmig entschlossen Furcht einflößende Jesus reiter.001Dinge zu tun. Ähnliche Bilder wurden schon früher verwendet, aber hier soll die Illustration wohl verdeutlichen, dass Jesus im Jahr 1914 unsichtbar gekommen war. Das war vor 100 Jahren. Heute scheint man den Eindruck vermitteln zu wollen, dass Jesus seinen Auftrag damals nicht vollständig abschließen konnte und so ein weiteres Mal kommen muss, um seine Aufgabe zu vollenden. Zu welch geistigen Purzelbäumen man doch Zuflucht nimmt, wenn das Hemd zu kurz wird!

Doch widerspricht Jesu Endzeitrede dieser wenig überzeugenden Interpretation des Sklaven: Jesus soll demnach seine Herrschaft zunächst unsichtbar im Himmel antreten, dann 100 Jahre später ein weiteres Mal kommen, um Gericht zu halten und sein Urteil zu vollstrecken? – Kurz vor seiner Himmelfahrt sprach Jesus davon, dass er bei seinem zweiten Kommen, und zwar für jedermann sichtbar in Erscheinung treten werde, von einem weiteren, dritten Kommen ist in der Bibel nirgendwo die Rede. Für eine „unsichtbare Gegenwart“ bleibt da einfach kein Raum.

Um das prägende Bild abzurunden, wird zunächst die völlige Vernichtung aller Nicht-Zeugen abgeschlossen. Dann ist die Bühne frei für die Umsetzung der bunten Heilsversprechungen rund um das Paradies, die im letzten Kapitel ausführlich beschrieben und wie üblich mit allzu bunten Bildchen garniert sind. Paradies.001Wie immer sieht man hier mit den Augen des Sklaven junge, glückliche Menschen, gekleidet nach seinen Vorstellungen, beim Picknick im Grünen oder beim Ernten übergroßer Tomaten.

Das Festhalten an 1914

Dem Sklaven mangelt es auch hier wieder einmal an Einsicht, Kraft und Mut für eine längst überfällige Revidierung dieses ominösen Datums. Und so klammert man sich auch in diesem Buch weiter hartnäckig an das Jahr 1914.

Obwohl das Referenzdatum mit dem Jahre 607 v.u.Z. für die erste Zerstörung Jerusalems unhaltbar ist, da die Fakten mit überwältigender Mehrheit für das Jahr 587 v.u.Z. sprechen, hält man eisern daran fest, denn damit würde eine der wichtigsten Säulen ihres Lehrgebäudes zusammenbrechen. Die sieben Zeiten würden dann nämlich im Jahre 1934 geendet haben, mit welchem sich eben kein spektakuläres Ereignis verknüpfen ließe. Die ganze schöne Chronologie, an welcher man die unsichtbare Gegenwart Christi festmacht, würde sich damit in Luft auflösen. Doch das würde weltweit erdbebengleiche Irritationen unter dem Volk Gottes hervorrufen, die man weder gegenwärtig noch in naher Zukunft ohne Blessuren überstehen würde. Also bleibt es dabei: man muss an diesem unhaltbaren Dogma weiter krampfhaft festhalten, bis, ja bis auch diese falsche Lehre endlich als solche entblößt und endgültig auf dem Scheiterhaufen falscher Lehren landen wird.

Carl Olof Jonsson, ein ehemaliger Bruder aus Göteborg, Schweden, ließ es sich denn nicht nehmen, das für ihn strittige Datum mit 607 v.u.Z. über mehrere Jahre hindurch auf seine Stichhaltigkeit hin zu überprüfen. Was er in Instituten und Fachbibliotheken an Materialien zusammengetragen hatte, gilt in Fachkreisen längst als wertvolle Zusammenfassung bestätigter außerbiblischer Quellen, welche selbst die Bibel bei genauer Betrachtung der Eckdaten für die 70-jährige Verödung Jerusalems bestätigt. Doch damit machte er sich bei den Verantwortlichen der WTG keine Freunde und wurde nach einer 3-jährigen Korrespondenz mit ihr erwartungsgemäß alsbald ausgeschlossen.

Für die meisten Zeugen dürfte es völlig in Ordnung sein, das Jahr 1914 angesichts der „Hundertjahrfeier“ ständig hervorzuheben. Für den Fall, dass auch die kommenden Jahrzehnte ohne die herbeigesehnten Ereignisse vergehen werden, wird dieses Buch – zusammen mit allen anderen Büchern, die auf 1914 verweisen – womöglich in Vergessenheit geraten, wie seinerzeit die unhaltbaren Schriftstudien mit der Pyramidenlehre Russells und manch anderes mehr. Das alles dürfte aber unserem wendigen Sklaven keine Bauchschmerzen bereiten, da es auch dann wieder seine beiden Zauberwörter richten werden, die sich in der Vergangenheit doch so gut bewährt haben: „Neues Licht“. Es macht jede Erklärung zu den veralteten Lehren überflüssig und stärkt ohne weiteres Zutun das Vertrauen in die neuen Lügen, bis auch sie wieder als überholt gelten und wieder durch „neues Licht“ abgelöst werden.

Das Buch „Der Gewissenskonflikt“ von Raymond Franz, für die LK natürlich ein rotes Tuch, bringt die Problematik mit diesem einen Satz in seinem siebten Kapitel auf den Punkt:

„Wird der Glaube an 1914 gebrochen, so fällt das auf Sand gebaute Lehrgebäude zusammen“

Das vorgestellte Buch lässt auch für die kommenden Jahre kein Umdenken erwarten. Denn sollte die leitende Körperschaft je zugeben, dass ihre Lehre um das Jahr 1914 falsch war, würde sie sich selbst zusammen mit ihrer ganzen Organisation augenblicklich in Nichts auflösen. Die Bruderschaft würde sich orientierungs- und führungslos zerstreuen. Das will die WTG aber so rasch nicht zulassen und beharrt stattdessen lieber noch weitere Jahre auf ihrer Erfindung um die unsichtbare Gegenwart im Jahre 1914.

Doch der Tag der Abrechnung wird kommen, an welchem selbst die Dinge, die derzeit noch verborgen sind, aufgedeckt, gebrandmarkt und ausgelöscht werden.

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Neuer Gedanke in unserem neuen Buch seite 223 fussnote Müsst ihr mal lesen das Buch . Freu mich auf eure Ausführungen . Die Fußnote sagt das nicht die religiösen Anhänger ausgerottet werden bei der vernichtung babylons sondern die religiösen Einrichtungen .

Seite 12 erhält eine direkte/indirekte neue Terminankündigung für Harmagedon. Anhand der Bildergrafik und Erklärung beginnt ein jeder ZJ doch an zu rechnen, wie lang es höchstens noch dauern kann bis zum D-Day. Diejenigen, deren 10 Finger dazu nicht ausreichen, nehmen sich noch 4 Brüder zu Hilfe. 50 Finger sollten ausreichen, um die erforderlichen Berechnungen durchführen zu können.

Allen ZJ, die behaupten, die Organisation gibt keine Termine bzw. Daten mehr für Harmagedon bekannt, sollte diese Seite entgegen gehalten werden. Es straft sie Lügen.

 

Wenn also laut Seite 145 Siege vor Gericht als “Beweise” für Gottes Segen gewertet werden, als was muss dann die kürzlich stattgefunden habende Niederlage vor dem Höchstgericht des größten Staates der Welt gewertet werden? Ich persönlich sehe das etwas anders: Einen Segen, den man nie hatte, der kann auch gar nicht entzogen werden. Insofern bin ich da vollkommen entspannt. Die grundlegende Frage ist eher, ob man Gerichtsurteile generell im Sieg/Niederlagen Modus betrachten soll, wie ein Fußballspiel. Mir ist mal jemand bei einer Kreuzung aufgefahren, das Gericht stellte fest, der ist schuld und ich  bekam Schadensersatz. Ist das jetzt ein Sieg?… Weiterlesen »

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