Das ,hohepriesterliche’ Gebet Jesu

 

Mit dem heutigen Artikel richten wir unsere Aufmerksamkeit auf das „hohepriesterliche Gebet“, das Jesus in der “Stunde” vor seinem Opfertod und seiner Verherrlichung an den Vater richtete.

Doch zunächst ein kurzer Blick zurück in die ersten Tage der Menschheit: Als der schirmende Cherub aus selbstsüchtigen Gründen einst sein Amt verraten hatte, waren aller Augen über Jahrtausende auf den Schöpfergott gerichtet, um zu sehen, wie er wohl die völlig verfahren geglaubte Situation wieder zum Guten wenden und die Werke des Teufels abbrechen könnte.

Der Same des Weibes würde dem Verräter den Kopf zertreten. Offensichtlich wurde die so genannte „Edenprophezeiung“ lange Zeit nicht richtig verstanden, bis Gott zusammen mit dem mosaischen Gesetz die Aaronische Priesterschaft einsetzte, um mit ihrer Tätigkeit auf Christus hinzuweisen. Und damit kommen wir zum hohepriesterlichen Gebet Jesu aus Johannes 17:3-26. Die Bitten Jesu betrachten wir am besten vor dem Hintergrund des jüdischen Versöhnungsfestes oder des Jom Kippur, um die für uns Menschen so überragende Bedeutung seines Amtes als Hohepriester hervorzuheben.

An diesem Tag musste der Hohepriester Sünden sühnende Opfer darbringen, um damit seine eigenen Sünden, die der ganzen Priesterschaft und des Volkes allen vor Augen zu führen und zuzudecken. Auch Jesus folgte, einmal ganz abgesehen von seiner absoluten Sündenlosigkeit, diesem Schema, indem er zunächst für sich selbst bittet, wenn er im

Vers 1 sagt: „So redete Jesus und hob seine Augen auf zum Himmel und sprach: Vater, die Stunde ist da: verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrliche; 2 denn du hast ihm Macht gegeben über alle Menschen, damit er das ewige Leben gebe allen, die du ihm gegeben hast.“

Im Vers 9 fährt er fort und betet für seine Jünger, die auserwählte Priesterschaft:

„Ich bitte für sie und bitte nicht für die Welt, sondern für die, die du mir gegeben hast; denn sie sind dein.“

Erst im Vers 20 betet er dann auch für das Volk, d. h. für alle Menschen, die sich glaubensvoll an Gott wenden:

„Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden, damit sie alle eins seien. Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast.“

Das jüdische Versöhnungsfest sollte dem aus den anderen Völkern herausgehobenen und heiligen Volk Israel vorrangig das Bewusstsein für die unumgängliche Versöhnung mit Gott einprägen, indem Sünden zunächst zugedeckt und später durch den großen Hohepriester Jesus getilgt würden.

Das Gebet Jesu beinhaltet auch die Fürbitte im Interesse der Menschen, und so wendet er sich in jener Nacht mit seinem Herzensanliegen vertrauensvoll an den Vater. Noch wenige Stunden, und er würde sein Leben zugunsten derer, für die er bittend vor seinen Vater tritt, in den Tod ausschütten. Im Bewusstsein der alles überragenden Tragweite seines einzigartigen Opfers betet er zunächst für sich selbst als Priester, dann für die Apostel und schließlich für alle, die an ihn glauben würden.

In seiner besonderen “Stunde” schickt er sich gehorsam und bereitwillig in die Erfüllung des väterlichen Planes, mit dem er sich völlig identifiziert. Im Bewusstsein um die Bedeutung und den Fortbestand der Menschheit ist er bereit sich widerstandslos in die Hände der ahnungslosen Juden zu begeben, die unnachgiebig auf seinen Tod drängen und nicht ansatzweise verstehen, dass gerade dadurch der Bann von Sünde und Tod durchbrochen werden sollte. Hebräer 12:2 zeigt uns, wie er diese äußerste an einen Menschen zu stellende Forderung erfüllen konnte: „Er hat das Kreuz (den Marterpfahl) auf sich genommen und die Schande des Todes für nichts gehalten, weil eine so große Freude auf ihn wartete.“

So konnte er selbst angesichts des Todes zuversichtlich auf seine Auferstehung blicken, die es ihm endlich erlauben würde, den gläubigen Teil der Menschheit von Sünden- und Todesfesseln zu befreien. Judas leitet diese “Stunde” mit dem Verrat an Jesus ein und ebnet dadurch den Weg zur Auferstehung, damit der verherrlichte Christus später gleichsam mit dem Opfer seiner selbst vor seinen himmlischen Vater treten konnte. Als Judas die Tischgemeinschaft im Saal für das Abendmahl verlässt, redet Jesus die bedeutenden Worte aus Johannes 13:31:

„Als Judas nun hinausgegangen war, spricht Jesus: Jetzt ist der Menschensohn verherrlicht, und Gott ist verherrlicht in ihm.Ist Gott verherrlicht in ihm, so wird Gott ihn auch verherrlichen in sich und wird ihn bald verherrlichen“.

Nicht zufällig beginnt er sein hohepriesterliches Gebet mit den Worten: “Vater, die Stunde ist da. Verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrlicht.” (Joh. 17:1).

Die Verherrlichung, die Jesus als Hohepriester für sich selbst erbittet, ist das Eintreten in den vollkommenen Gehorsam gegenüber dem Vater, der ihn zur uneingeschränkten Sohnschaft führt: “Vater, verherrliche du mich jetzt bei dir mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, bevor die Welt war.” (Joh. 17: 5).

Diese Bereitschaft für den Opfertod und die Bitte zu seiner Wiedereinführung in die himmlische Herrlichkeit, die er vor seinem irdischen Aufenthalt an der Seite seines Vaters genossen hatte, stellen die erste Amtshandlung des neuen Priestertums Jesu dar. Zugleich sind sie ein beredtes Zeugnis für die völlige Selbstauf- und Selbsthingabe bis in den Tod zum Nutzen anderer, dem höchstmöglichen Akt unverbrüchlicher Liebe.

Das zweite Element dieses Gebets besteht in der Fürsprache Jesu für seine Jünger, die noch bei ihm waren. Über sie sagt Jesus zum Vater:

Ich habe deinen Namen den Menschen offenbart, die du mir aus der Welt gegeben hast. Sie gehörten dir und du hast sie mir gegeben, und sie haben an deinem Wort festgehalten.” Johannes 17:6).

“Den Namen Gottes den Menschen offenbaren” bedeutet, den Menschen den neuen Abschnitt eines besonderen Verhältnisses zu ihnen auf der Grundlage des Loskaufsopfers zu vermitteln, um sie auf den Weg der Rettung zu führen. Das hat nichts mit der Nennung des bis heute unbestätigten Gottesnamens Jehova vor seinen Jüngern oder gar seinem jüdischen Volk zu tun, wie es im WT-Studienartikel vom 15.10. 2013 unter dem Themaangedeutet wird: “Lässt du dich von Jesu liebevollem Gebet motivieren“? Auf Seite 28 lesen wir dazu im Abschnitt 8:

…Jesus las die Stelle aus der Buchrolle Jesajas vor, wo es heißt: „Jehovas Geist ist auf mir, weil er mich gesalbt hat, um den Armen gute Botschaft zu verkünden.“ Dabei sprach er den Namen Gottes ohne Zweifel klar und deutlich aus.

Der Tod Jesu hat für die zu verkündende „Gute Botschaft von Gottes Königreich“ erst den Boden bereitet. Die Verkündung hat jedoch nichts mit der Aussprache des Gottesnamens zu tun, der in den rund 1600 bekannten Abschriften zum NT übrigens an keiner Stelle enthalten ist. Durch sein Wirken und Leben auf der Erde gibt uns Jesus einen einmaligen Blick auf die Persönlichkeitsmerkmale seines Vaters, die in ihm selbst angelegt sind. So hat er den Menschen auch in dieser Weise seinen Vater offenbart und dadurch, dass das „Wort Fleisch wurde“.

In diesem Fürsprache- und Sühnegebet trifft Jesus seine Jünger betreffend eine Feststellung und bittet darauf seinen Vater mit den Worten:

 „Sie sind nicht von der Welt, wie auch ich nicht von der Welt bin. Heilige sie in der Wahrheit; dein Wort ist Wahrheit. Wie du mich in die Welt gesandt hast, so habe auch ich sie in die Welt gesandt. Und ich heilige sie für mich, damit auch sie in der Wahrheit geheiligt sind.“ Johannes 17:16–19.

Das Verb “heiligen” bedeutet, sich von eigenen Interessen und Bedürfnissen absondern, sich in den Dienst für einen gottgefälligen Zweck stellen, die Wahrnehmung göttlicher Aufgabenzuteilung. Heiligkeit in absolutem Sinne besitzen jedoch nur Gott selbst, der Heilige Israels (2.Kön. 19:22), und sein Sohn, der Heilige Gottes (Luk. 4:34).

„Heiligen“ bezieht sich auf das Absondern oder Abstellen einer Person für einen gottgewollten Zweck oder das Eintreten in einen neuen von Gott vorgegebenen Aufgabenbereich. Alle persönlichen Eigeninteressen rücken damit auf einen untergeordneten Platz, um Gott kompromisslos zur Verfügung zu stehen; es beschreibt jemanden, der hauptamtlich als Sklave im Dienst für seinen Herrn tätig ist.

Gerade aus dem Grund, weil sie Gott übergeben wird, ist die geweihte Person “für die anderen da“ und wird gleichsam dem Dienst an anderen überstellt. Sich Gott zu überlassen oder zu übergeben, bedeutet, nicht mehr für sich selbst sondern im Dienst an anderen tätig zu sein, und sich nicht mehr von der Welt in Beschlag nehmen zu lassen.  Für die Jünger war es die Aufgabe den Auftrag Jesu weiterzuführen und als Zeichen ihrer Nächstenliebe unter anderem alle erreichbaren Menschen mit der Botschaft von Jesu Königreich bekannt zu machen.

„Heilige sie in der Wahrheit; dein Wort ist die Wahrheit. Wie du mich gesandt hast in die Welt, so sende ich sie auch in die Welt.“ Johannes 17:17,18

Diesen Auftrag haben seine Jünger unter der Leitung des Heiligen Geistes erfüllt.

Ein dritter Gesichtspunkt dieses hohepriesterlichen Gebets lenkt den Blick auf das Ende der Zeiten. Jesus wendet sich an den Vater, um für ALLE Menschen Fürsprache einzulegen. Dazu wurde die Verkündung von den Aposteln begonnen und in der Geschichte weitergeführt. So hat Jesus das ihm aufgetragene Werk abgeschlossen, wobei sein Gebet bis ans Ende des alten Systems wirkt.

Die zentrale Bitte des hohepriesterlichen Gebets Jesu umfasst auch all seine Jünger und endet ebenfalls mit dem Systemabschluss. Es ist darüber hinaus der zukünftigen Einheit all derer gewidmet, die an ihn glauben und noch glauben werden. Diese Einheit hat keinen weltlich materiellen Charakter, sondern rührt ausschließlich von der göttlichen Einheit, und sie kommt aus dem Vater durch den Sohn und den Heiligen Geist zu uns. Es betrifft die Gabe, die vom Himmel kommt und auf der Erde ihre real wahrnehmbaren Auswirkungen hat, wenn Jesus weiter bittet:

“Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast.” Joh. 17:21.

Obwohl die Einheit der Christen eine verborgene Realität im Herzen glaubender Menschen ist, muss sie doch gleichzeitig mit aller Deutlichkeit sichtbar werden und aus der banalen Beliebigkeit der Geschichte hervortreten, damit die Welt glaube. Das konkrete Ziel führt die Glaubenden aller Epochen direkt zur Einheit untereinander und mit dem Sohn und endlich zur Versöhnung mit dem Vater. In diesem Bild sucht man einen „treuen und verständigen Sklaven“ nach der Interpretation der WTG vergeblich.

Jesus betet um die Einheit oder das Geeintsein unter den Jüngern. Auf der Grundlage dieser Einheit kann die Christengemeinde in der Welt bestehen, ohne zugleich von der Welt zu sein (vgl. Joh. 17, 16) und die ihr anvertraute Sendung durchführen, damit die Welt an den Sohn und an den Vater glaube, der ihn gesandt hat. Von dieser Einheit sollten sich Christen in unseren Tagen ebenfalls angesprochen fühlen und leiten lassen.

Damit endet unsere Betrachtung zu diesem hochheiligen und für uns so bedeutenden Gebet Jesu, und wir wenden uns abschließend noch einmal kurz dem WT-Artikel vom 15.10.2013 zu:

Nach dessen Betrachtung fragen wir uns womöglich, warum unser „treuer und verständiger Sklave“ nicht willens oder nicht in der Lage ist uns diese wichtigen Gedanken zu vermitteln. Warum versucht er mit seinen Erklärungen ständig die Einheit der Christen mit Christus, ihrem Herrn, in Frage zu stellen und die berechtigte Erhöhung Jesu gegen die Erhöhung seines Vaters auszuspielen?

Ohne den vorausgehenden Akt der Verherrlichung des Sohnes ist der zweite darauf folgende Akt der Verherrlichung des Vaters durch den Sohn nicht möglich. Das eine lässt sich nicht vom anderen trennen, denn ohne die Verherrlichung des Sohnes gibt es für die Menschen keine Erlösung und keinen Loskauf von todbringender Sünde.

 

Im Laufe der Jahrzehnte hat sich unter anderem vorrangig der Name “Jehova“ und „Jehovas Zeugen“ als Alleinstellungsmerkmal zur Abgrenzung gegen andere konkurrierende Gruppen herausgebildet. Indem die Führungsspitze und ihre Unterstützer darauf mächtig stolz sind, nehmen sie offensichtlich den Sohn als einzigen Vermittler des Lebens nicht mehr wahr und drängen ihn zugunsten des Kunstnamens Jehova zusehends in die Bedeutungslosigkeit. Das wird auch durch die ständige stereotype Gebetsformel „…im Namen Jesu, Amen“ nicht besser.

An diesem einfachen Beispiel wird wieder einmal die von der WTG bewusst vorgenommene Bedeutungsverschiebung weg vom Sohn, und nicht einmal unbedingt hin zu seinem Vater, als vielmehr zu ihrem hochstilisierten künstlichen Gottesnamen „Jehova“ deutlich.

Mit den ernüchternden Worten „weicht von mir, ihr Übeltäter, ich habe euch nie gekannt“ wird der Sohn deshalb eines Tages nicht nur die Namenchristen zurückweisen müssen.

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Ein erbaulicher Artikel. Danke! Genau wie “Lupo” habe ich mich auch gefragt, warum der tuv Sklave “nicht willens oder nicht in der Lage ist, uns diese wichtigen Gedanken zu vermitteln”. Ja warum nur nicht? Könnte es sein, dass er Wissen bewusst zurückhält? Z.B. der Ausdruck “hohepriesterliches Gebet” — der wurde ab einer bestimmten Zeit streng vermieden, auch in der Literatur. Warum nur? Ganz einfach: Er könnte die etwas bibelkundigeren Zeugen auf die Fährte der biblischen Wahrheit führen. Sie könnten ja richtig fragen und schlussfolgern: “Wenn Jesus zum Zeitpunkt, als er das Gebet (Joh. 17) sprach, bereits Hoher Priester war, wann wurde… Weiterlesen »

Ein sehr bewegendes Gebet. Danke “Lupo” für Deine interessante Zusammenfassung. Wenn ich mir überlege, unter welchen Umständen unser Herr das Gebet sprach, werde ich ganz klein. Vorausgehenden war die Fußwaschung mit seinen Worten: “Begreift ihr, was ich an euch getan habe…..” ( John.13:12)…….Vers 21: Jesus wurde im Geiste erschüttert…… Dann Judas Iskariot, der Satan fuhr in ihn…..Vers 18: Keiner der Anwesenden verstand ihn….. Anschließend die Abschiedsreden an seine 11 geliebten Apostel…. Jesus legt sein ganzes Herz, seine ganze Liebe zu seinem Vater, zu seinen Jüngern, und die ganze Wichtigkeit eines christlichen Lebens hinein, aber auch die Folgen des  Christseins….. Und… Weiterlesen »

Lieber Projesus

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