Am Anfang war die Lüge   (Teil 1)

“Dass die Dinge geschehen ist nichts, dass sie gewusst werden, ist alles!“ (Egon Friedell)

Im 19. Jahrhundert entstanden viele „christliche“ Gemeinschaften. Den meisten gemeinsam ist ein Gründungsmythos. Davon macht auch die WTG, eine Schöpfung Rutherfords, keine Ausnahme. Russell hatte zwar die Firma gegründet, doch sein Nachfolger machte erst die ORGANISATION daraus, wie wir sie heute kennen. Er bediente sich einer bösartigen Flunkerei, um die Organisation als „himmlisches“ Werkzeug zu etablieren, um zu „beweisen“, dass es Gottes Wille gewesen sei und dass er künftig nur durch sie sprechen würde.

Seither wird stereotyp von der WTG behauptet, dass sie Gottes „Mitteilungskanal“ sei und dass Jesus Christus den „treuen und verständigen Sklaven“ 1919 mit heiligem Geist gesalbt habe und ihm die Verantwortung für sein Werk auf der ganzen Erde übertragen habe. An dieser „göttlichen“ Autorisierung darf unter keinen Umständen gerüttelt werden!

Ein Buch erzählt eine Legende, die aber eine Lüge ist

Es ist interessant, einmal in der Geschichte zurück zu gehen und zu sehen, wie es dazu kam. Am Anfang steht das Buch „Das Vollendete Geheimnis“. Auch dieses Buch ist als „geistige Speise zur rechten Zeit“ bezeichnet worden und enthält doch nur die Gedanken von Menschen, die versuchen, die WTG als ein von Gott gebrauchtes Werkzeug hinzustellen. Diese Absicht beherrscht im Grunde genommen alle Ausführungen dieses Buches.

Die frühe Krise der WTG

Anlass für dieses Buch war die erste Krise der Gesellschaft. Wie wir schon wissen, hatte Russells Tod im Oktober 1916 diese Krise in der WTG ausgelöst. Es wurde um die Nachfolge gestritten. Russell hatte zwar in seinem Testament die Nachfolge geregelt, aber es gab jemanden, der unbedingt an der Spitze stehen wollte: J. F. Rutherford. In Russells Testament stand Rutherford aber nur in der zweiten Reihe! Rutherford ging mit juristischer Schläue, Täuschung und Gewalt ans Werk, um sich als Nachfolger Russells zu installieren. Aber dazu musste er eine „göttliche Legitimation“ für sich basteln. Er musste unbedingt „beweisen“, dass der „Mantel des Propheten“ auf ihn gefallen sei. Und das sollte mit dem Buch „Das Vollendete Geheimnis“ vollbracht werden, indem er die „göttliche Autorität“ Russells „bewies“ und dann behauptete, dass Russell durch die WTG (und Rutherford meinte sich!) das Werk zu Ende führen würde.

Die Legende wird gestrickt

1917 wurde das Buch „Das Vollendete Geheimnis“ veröffentlicht. Zeitzeugen berichteten, dass es „wie eine Bombe einschlug“.  Dieses ca. 800 Seiten starke Buch enthält eine durchgehende scharfe Kritik an den großen Kirchen. Es werden das Buch der Offenbarung, Hesekiel und das Hohelied behandelt. Und jede Bibelstelle, die man irgendwie gebrauchen konnte, um die großen Kirchen zu kritisieren, wurde verwendet – auch wenn sie mitunter gar nicht passte. Diese Kritik macht einen großen Teil des ganzen Buches aus.

In der Hauptsache ist es neben dieser Kirchenkritik eine „Heiligsprechung“ und Verklärung „Pastor“ Russells und damit der Versuch, ihn mit himmlischer Autorität auszustatten. Der Herausgeber drückt die Hoffnung aus, dass dieses Buch die zeitgemäße Belehrung für alle Christen sei, dass es „vor den Schlingen des Widersachers“ schützen wird, dass die „bösen Systeme Babylons“ zerfallen und die „letzten Glieder des Leibes Christi“ aus dem „Tränental“ befreit werden:

(Alle Zitate sind kursiv, Unterstreichungen von mir und in den Klammern stehen die Seitenzahlen der deutschen Ausgabe von 1926. Die alte Rechtschreibung wurde beibehalten.)

„Wir glauben, wenn die teuren Kinder des Herrn in der ganzen Welt den Inhalt dieses Buches kennen lernen und sehen, wie wunderbar der Herr sie vor den Stürmen menschlicher Leidenschaft und den Schlingen des großen Widersachers beschützt hat; und wenn sie ferner sehen, daß die ungerechten, bösen Systeme Babylons jetzt unter der mächtigen Hand Gottes zerbröckeln und zerfallen – ein sprechendes und deutliches Anzeichen für die nahe Befreiung der letzten Glieder des Leibes Christi aus diesem Tränental und ihren Eingang in das herrliche Licht und die Freiheit der Heiligen – einen großen Trost empfangen werden; …“ (9)

Das hört sich etwas zu allgemein an. Es wäre zu harmlos, wollten dies die einzigen Absichten des Buches sein. Beim Lesen wird aber rasch deutlich, worum es überhaupt geht. Es wird vom Herausgeber behauptet, dass es sich in der Hauptsache um „nachgelassene Schriften“ von Pastor Russell handelt. Aber das scheint eine Lüge zu sein, auch wenn zwei Männer genannt werden, die dieses Buch zusammenstellten.  Und wozu sollte das Buch dienen? Hier ist eine beinahe harmlose Antwort des Herausgebers:

„Immer wieder und wieder sagte Pastor Russell, daß der siebente Band der Schrift-Studien geschrieben würde, und es wurde erwartet, daß er ihn schreiben würde. Die Schrift zeigt, daß der siebente Band veröffentlicht werden mußte.

 „Pastor Russell sagte, kurz gefaßt, schon vor langer Zeit, daß der siebente Band nicht der Entwicklung der Kirche dienen solle; sondern, daß die vorhergehenden sechs Bände der Schrift-Studien die nötige geistige Nahrung für diesen Zweck enthielten. Als er gefragt wurde, weshalb denn der siebente Band geschrieben würde, antwortete er: „Er wird wahrscheinlich der Kirche in einer Zeit höchster Not, zu ihrem Trost und ihrer Ermunterung gegeben werden.”

„Wer unter den Geweihten auf dieser Seite des Vorhanges sollte sich nicht klar darüber sein, daß die Kirche sich jetzt in jener Zeit „höchster Not”, in der sie des Trostes und der Ermunterung bedarf, befindet? Die Stunde feuriger Prüfungen und großer Versuchungen ist über das Volk Gottes gekommen, und es ist nötig, daß es getröstet und ermutigt werde.“ (9)

Mit diesen Worten wollte man deutlich machen, dass ein siebenter Band der „Schriftstudien“ unbedingt erscheinen musste! Er musste erscheinen, weil Russell es anscheinend schon immer wollte! Der staunende Leser erfährt dann aus erster Hand, dass Russell durch den 7. Band (Das Vollendete Geheimnis) „spricht“!

„Dies bedeutet, daß vielleicht ein halbes Jahr vorher, ehe das Schlagen des „Chris-tentums” allgemein erkannt wurde, Pastor Russell, obgleich tot, wiederum sprechen wird durch diesen, den siebenten Band, zur Vollendung seines großen Werkes der Ermahnung und Warnung für die Kirche und das Namenchristentum.“ (712)

Rutherford beauftragte zwei Männer, das Buch zu schreiben. Auch ihre Arbeit ist von einem „Wunder“ begleitet:

„Obschon beide in derselben Stadt wohnten, so haben sie doch ein jeder selbständig für sich und ganz getrennt voneinander gearbeitet und nicht einmal Zwiesprache über ihre Arbeit miteinander gehalten. Der Leser wird beurteilen können, wie völlig trotzdem das Werk des einen mit dem des anderen und mit dem göttlichen Plan in Einklang steht, was ein weiterer Beweis für das Überwalten dieser Angelegenheit durch den Herrn ist.“ (9)

Also, durch dieses Buch würde Pastor Russell „zur Vollendung seines großen Werkes“ wieder zur Kirche sprechen! Ist das eine Geisterbeschwörung? Warum muss der Tote nun zur Kirche sprechen? Sind die beiden Schreiber nur Medium? Jedenfalls wurde ihre Arbeit von keinem Geringeren als Jesus „überwaltet“!

Verlogene Behauptung: Pastor Russell ist  der Sendbote Jesu Christi!

„Im Lichte göttlicher Prophezeiung, die sich jetzt täglich erfüllt und „den Wächtern” verständlich gemacht wird, ist folgendes aus der Feder Pastor Russell’s ein weiterer Beweis dafür, daß er von Gott zu dieser Generation gesandt wurde.“ (5)

„Dies Buch kann mit Recht als ein von Pastor Russell hinterlassenes Werk angesehen werden. Weshalb? Weil gerade der Herr ihm den „Schlüssel” gab; ihm wurde das Vorrecht gegeben, der Kirche in ihren letzten Jahren das „Geheimnis Gottes” klar zu machen; ihm wurde das Vorrecht gewährt, aus den Händen des Herrn den Hausgenossen des Glaubens „Speise zur rechten Zeit” zu überbringen, für die besondere Entwicklung und Versorgung von Gottes treuen Kindern mit geistiger Nahrung. Diesen Dienst hat er treu verrichtet.“ (8)

„Durch den Apostel Johannes offenbarte der Herr Jesus die Tatsache, dass die Kirche in sieben bestimmten Zeitperioden oder Epochen entwickelt werden würde; und dass er für jede dieser Perioden einen besonderen Engel oder Sendboten haben würde, um den anderen Gliedern des Leibes zu dienen. Es geht also daraus hervor, dass der Sendbote für die letzte oder Laodizäische Periode die Gegenwart des Herrn und die Zeit der Ernte des Evangeliums-Zeitalters verkünden würde. Der große Meister legte ganz besonderen Nachdruck auf die Bedeutung des Sendboten für die siebente oder die Laodizäische Periode der Kirche, indem er über diesen Sendboten sagte: „Wer ist nun der kluge und getreue Knecht, den sein Herr über sein Gesinde gesetzt hat, um ihnen Speise zu geben zur rechten Zeit?”

 

„Solche geweihten Christen, welche die in den vorhergehenden sechs Bänden der Schrift-Studien enthaltene Wahrheit gelesen und völlig schätzen gelernt haben, werden leicht erkennen und darin übereinstimmen, dass Charles Taze Russell der Sendbote für die Kirche von Laodizäa war. Jeder, der an die Bibel glaubt, wird von dieser Tatsache durch das in diesem Bande vorgebrachte Beweismaterial und die daraus hervorgehende offenbare Gewissheit über jeden Zweifel hinaus überzeugt werden. …“ (5)

 

Pastor Russell, als Sendbote für die Laodizäische Kirche und in seiner Stellung als der besondere Knecht des Herrn, um dem Haushalt des Glaubens Speise zu geben zur rechten Zeit.“  (6)

 

(In dem Buch „Jehovas Zeugen – Verkündiger des Königreiches Gottes“  wird betont, dass Russell sich nicht als den „treuen und klugne Knecht“ sah. Bezugnehmend auf gewisse anderslautende Äußerungen im Wachtturm wird in einer Fußnote erklärt, dass Russells Ehefrau das veröffentlicht hätte. Aber Russell als alleiniger Herausgeber der Zeitschrift hat es selbst geglaubt und seiner Frau nicht widersprochen!)

 

„Pastor“ Russell wird also als der Engel der Versammlung in Laodizea (Offb. 3:14) bezeichnet. Und  „Das Vollendete Geheimnis“  soll ein Werk aus der Feder Russells sein! Das Buch selbst soll ein Beweis dafür sein, dass Russell „zu dieser Generation“ gesandt worden war, weil nur Russell den Schlüssel zum Verständnis des „Planes Gottes“ aus der Hand Jesu empfangen hatte. Man beachte, wie  – fast – beiläufig der „treue und verständige Sklave“ eingeführt wird.  Diese Zitate zeigen uns deutlich, auf welche Weise der „treue und verständige Sklave“ ins Leben der WTG getreten ist! Zuerst war es „Pastor“ Russell, dann Rutherford durch die WTG. So hat sich dann der Kult um den „Sklaven“ entwickelt.

Es wird behauptet, dass „Pastor“ Russell seine Schriftstudien nicht als Privatmann, sondern als „Sendbote“, als „der besondere Knecht des Herrn“ und unter des „Herrn Gnade“ und „Leitung“ geschrieben habe! Die „Schriftstudien“ und „Das Vollendete Geheimnis“ wurden als zeitgemäße geistige Speise für den  Haushalt des Glaubens gesehen, weil sie vom Himmel „autorisiert“ waren! Fortan werden dann alle „Aussprüche“ des „Sklaven“ als das Wort Gottes gesehen! Es wird darauf gedrungen, jeden Ausspruch in der Literatur der WTG als verbindliches, göttliches Wort zu glauben. Bis heute hat sich daran nichts geändert, obwohl diese Bücher auch für die heutigen Zeugen Jehovas von keinem Wert mehr sind, weil die Wirklichkeit sie auf den Müllhaufen der menschlichen Irrtümer warf. Und was an tatsächlichen biblischen Erkenntnissen in ihnen enthalten war, wusste man auch schon Jahrhunderte früher.

Die Autoren mussten aber irgendwie begründen, warum Russell der besondere „Knecht des Herrn war  bzw. werden konnte. Dazu glorifizierten sie  Russell: 

Verlogene Behauptung: Russell war ein außergewöhnlich guter, kluger und edler Mensch!

Die Autoren des Buches machten sich große Mühe, um zu beweisen, warum Russell in den Augen Christi der geeignete Mann gewesen sein soll, um als „Sprachrohr“ für ihn zu dienen. Die folgenden Zitate sparen nicht mit Superlativen: 

„Und er rief mit lauter Stimme: Mit einer eindringlichen Botschaft. Pastor Russell war die Stimme, die vom Meister als Werkzeug benutzt wurde. Schönes Mundstück des Herrn: stark, demütig, weise, liebreich, sanft, gerecht, barmherzig, treu sich selbst opfernd; einer der edelsten und großartigsten Charaktere aller Zeiten.“

„Der besondere Sendbote für das letzte Zeitalter der Kirche war Charles T. Russell, geboren am 16. Februar 1852. Er hat in privatem Gespräch zugegeben, er glaube, daß er vor seiner Geburt für sein großes Werk ausersehen sei.“  (65)

„Als er nur zwölf Jahre alt war, fand ihn sein Vater einmal mitten in der Nacht,            frühmorgens um zwei Uhr, in dem Laden, eifrig mit dem Studium einer biblischen Konkordanz beschäftigt, ohne zu merken, wie spät in der Nacht es geworden war.“ (66)

            „Man hat bei Pastor Russell wahrgenommen, dass er ganze Nächte im Gebet zubrachte und am nächsten Tage seiner Arbeit nachging, als wenn nichts Ungewöhnliches geschehen wäre.“ – Offenbarung 3:14.   (532)

Da dies nicht genug war,  werden Außenstehende  (Professor S. A. Ellis und Morton Edgar)  zitiert, die sich sehr lobend über C. T. Russell  geäußert haben sollen:

„Als ein Logiker, der nur auf Grund zuverlässiger Beweise seine Schlussfolgerung zieht, und als Theologe steht Herr Russell heutzutage ohne Zweifel unerreicht da, findet nirgendwo seinesgleichen. In seinen Forschungen nach biblischer Wahrheit und Harmonie steht er in diesem Zeitalter ganz einzig da. Ohne einen Makel in seinem Charakter, erfüllt mit den erhabensten Idealen und Begriffen über Gott, und die Möglichkeiten, die sich der Menschheit eröffnen, ragt er wie ein Riese über alle anderen Menschen empor, einzig und unvergleichlich. Seine Mängel verschwinden daneben als ganz bedeutungslos.   Alle, die Pastor Russell genau kannten, erkannten es an, dass Gerechtigkeit der grundlegende Zug seines Charakters war. (161)

            „Morton Edgar, Verfasser der „Pyramidengänge”, hat in der großen Pyramide Ägyptens reichlichen Beweis für die Genauigkeit von Pastor Russells biblischer Chronologie und für die von dem verstorbenen Dr. John Edgar hinzugefügten Zeitangaben gefunden.“ (75)

Gerade die große Pyramide von Gizeh wurde zum Stolperstein für Russell! Es wundert uns nicht, wenn Morton Edgar „Pastor“ Russell über den grünen Klee lobte, weil er sich von ihm bestätigt sah. Und die ganze Russell’sche Chronologie  hat sich als blanker Unsinn erwiesen. Die Zeit ging – ohne sie zu beachten – darüber hin! Und dann lesen wir noch eine tollkühne Behauptung über die Genauigkeit der „Schrifstudien“:

„Einmal wurden seine [Russells] Gesamtwerke einer gründlichen Prüfung und systematischen Zergliederung unterzogen, unter Zugrundelegung von 20511 Bibelstellen. Diese wurden in biblischer Reihenfolge zusammengestellt und ergaben nur sechs Punkte, die eine besondere Klarstellung zu erfordern schienen, die aber bei näherer Prüfung sofort als mit dem Ganzen im Einklang stehend erkannt wurden. Kein Schriftsteller, nicht einmal die Schreiber der Bibel ausgenommen, hat jemals so kritische, sorgsam prüfende Leser gehabt. Seine Werke sind in 35 Sprachen veröffentlicht worden.“ (72)

Also waren die sechs dicken Bände der Schrifstudien ohne Fehler? Sie musste ja ohne Fehler sein, weil sie ein Mann unter der Leitung Christi geschrieben hatte, von dem man gesagt hatte, dass er der schärfste Denker und Logiker und der hervorragendste Theologe seiner Zeit gewesen sein soll! Schon die „Schriftstudien“ mussten einfach „wahr“ sein, weil sonst Russell nicht von Jesus Christus ausgewählt worden wäre, um auch noch den 7. Band zu „schreiben“. Wir bemerken also eine krampfhafte, ja beschwörende Argumentation, die sich nicht scheut, zu Übertreibungen und Unwahrheiten zu greifen. Es ist eine einzige marktschreierische Überhöhung Russells, etwas, was man sehr gut von amerikanischen Quacksalbern kennt: „Dr. Russells Medizin ist die Beste unter dem ganzen Himmel! Sie heilt alle Krankheiten!“

Aber warum wurden Russells Bücher so rasch vergessen?  Wahrheit sollte doch nicht ranzig werden? Oder wurde sie es doch? Ja, das meiste musste still entsorgt werden. Und das geschah bestimmt nur deshalb, weil es später wirklich kritische Leser gegeben hat, die an dem Unsinn Anstoß nahmen. Aber machen wir weiter mit dem Loblied auf Russell:

Bei der Besprechung der Offenbarung wird an der Stelle von Offb. 21:20 wird über den Amethyst Folgendes gesagt:

„Der zwölfte, Amethyst: Königtum, Königswürde. Ein Stein von veilchenblauer Farbe, der Purpurfarbe nahekommend, aus einem starken Blau und tiefen Rot zusammengesetzt. Der Name stammt aus dem griechischen a = nicht, und methyskein = berauschen, was in früherer Zeit den Glauben ausdrückte, dass der Besitz dieses Steines seinen Eigentümer vor starken Getränken bewahre. Man glaubte, dass Wein, der aus einem Amethystbecher getrunken wurde, keine berauschende Wirkung ausübe. Dieser Stein kristallisiert in Doppelpyramiden (Grundfläche gegen Grundfläche) von drei Seitenflächen auf jeder Pyramide. Pastor Russells Treue war von echter, wahrer, tiefer Art, und er war voller Treue gegen das Blut Christi. Wir glauben, auch er hat jetzt das Königtum, die Königswürde. Gott sei Dank dafür! Der Kelch, den er austeilte, berauschte niemals solche mit Irrlehren, welche seinen lebensgebenden, aus dem Urquell aller Wahrheit, unseres Vaters Wort, geschöpften Trank zu sich nahmen. Die sechsseitige Kristallisation stellt vielleicht auch die 6 Bände der Schriftstudien dar, und dieser, der 7. Band, eine Zusammenfassung des Hauptinhaltes.“  (436)

Der Kelch, den er austeilte, berauschte also nicht mit Irrlehren, weil Russell aus dem Quell der Wahrheit geschöpft hatte? Und die sechs Bände der Schriftstudien wurden vielleicht durch die Kristallform des Amethysts in der Offenbarung erwähnt? Wow!

Zur Erklärung von Hes. 3:9 im Kapitel „Pastor Russells göttliche Legitimation“ heißt es:

„Die Stirn ist ein Symbol von Weisheit. Ein Mann von hoher Stirn, wie es Pastor Russell war, ist ein hochstehender Typus menschlichen Verstandes. Pastor Russell wurde an Geist und Charakter in seinem Standhalten gegen die Widersacher der Reformation stark und fest gemacht, die das ewige Königreich des Messias einleitet.“  (523) 

„Pastor Russell war in Herz und Sinn mit Wahrheit angefüllt. Klar wie Kristall, von harter, unwiderstehlicher Logik und zwingender Beweiskraft war die gegenwärtige Wahrheit, die seine Weisheit und sein Verständnis war, die härteste Nuss, das härteste und schwerste Problem, mit dem die herrschenden kirchlichen Gewalten es jemals aufzunehmen hatten. (Jes. 50:7) In Sinn und Charakter war Gottes Verwalter hart wie ein Diamant.“ (523)

„Gottes Verwalter“ war für die „herrschenden kirchliche Gewalten das schwerste und härteste Problem“?  Das haben die Zeitgenossen aber gar nicht wahrgenommen! Er hat ebenso wenig Wirkung gehabt, wie später die Pamphlete Rutherfords. Nein, die Welt blieb nicht eine Millisekunde stehen, nur weil Russell schrieb und schrieb.

Es ist erstaunlich, wie Russells „Wahrheiten“ hochgelobt worden sind! Da hatte sich angeblich jemand die Mühe gemacht, seine Schriftstudien zu untersuchen und festgestellt, dass es angeblich keine Widersprüche zur Bibel gab! Es ist kaum zu glauben, dass alle Bibelstellen richtig „erklärt“ worden sind! Es fällt auf, wie stark hier Rutherford auf die Werbetrommel für Russell schlägt! Hat Russell tatsächlich  „jemals so kritische, sorgsam prüfende Leser gehabt“?

Verlogene Behauptung: Pastor Russell war der letzte und hervorragendste Reformator

„Welcher Lage auch immer Pastor Russell gegenüberstand, Gott richtete es so ein, dass er ihr mehr als gewachsen war. Dieser letzte und hervorragendste unter den Reformatoren bat niemals um Geld, und doch wurde ihm genug anvertraut, um das Werk weiterzuführen.“  (522)

Und wer waren die reformatorischen Vorläufer von „Pastor“ Russell? Es werden Paulus, Johannes, Arius, Waldus, Wicliff und Luther aufgezählt! In diese Reihe wurde also Russell gestellt! Und so befand sich anscheinend Russell in einer exquisiten Gesellschaft! Aber die Geschichtsbücher schweigen über Russell! Sie sagen viel über die anderen, aber nichts über Russell. Niemand nahm ihn wirklich zur Kenntnis; nachdem er tot war figurierte er als Eintagsfliege. Nur in der kleinen Gruppe der Zeugen Jehovas blieb er der hochgelobte “Pastor“ Russell!

Verlogene Behauptung: Pastor Russell ist der neuzeitliche Hesekiel!

In der Besprechung des Bibelbuches Hesekiel wird Russell zum neuzeitlichen Hesekiel verklärt, indem Parallelen zum Propheten gezogen werden:

„Ebenso wie Hesekiel, so sollte auch Pastor Russell nichts zurückhalten noch verdrehen“. (524)

„Der Geist erweckte Pastor Russell, sodass er himmlische Dinge erfassen und wertschätzen konnte.“ (525)

„Das mächtige Brausen (in obiger Schriftstelle Apg.2:2) stellte dar, dass Pastor Russell in reichem Maße mit dem Geiste Gottes ausgestattet wurde, dessen Führung er völlig geweiht war und dessen Einfluss und Leitung er sich in völliger Selbstaufopferung widmete.“ (525)

„Pastor Russell war es, der als erster seit den Tagen der Apostel den Plan Gottes vernahm und hörte – „das Sausen der Räder” (Zyklen, Zeitalter).“ (526)

„Hes. 3:14: Und der Geist hob mich empor und nahm mich hinweg; und ich fuhr dahin, erbittert in der Glut meines Geistes, und die Hand Jehovas war stark auf mir: Gott hat euch aus der Welt herausgenommen (Joh. 17:16) und mitauferweckt, um als Geistgezeugte „mitzusitzen in den himmlischen Örtern in Christo Jesu”. (Eph. 2:6) Der Geist nahm Pastor Russell hinweg von irdischen Zielen und Bestrebungen und hob ihn empor auf die Stufe des die Opfer darbringenden Priestertums. Er gab den kaufmännischen Beruf, den er bisher ausgeübt hatte, gänzlich auf, um sein ganzes Leben der himmlischen Botschaft zu weihen. Er kostete von den bitteren Kräutern der Verfolgung, des Leidens mit Christo; und unter Verruf und Verfolgung führte er ein Leben, dass einzig und allein dem christlichen Dienst geweiht war. Er führte sein Werk in Inbrunst des Geistes hinaus, denn die „Hand Jehovas”, die Macht Gottes, „war stark auf ihm” und verlieh ihm Kraft und Stärke an dem inneren Menschen (Eph. 3:16), und rüstete ihn mit Weisheit aus, um angesichts des entschlossenen Widerstandes von Priesterlist die Posaunenbotschaft ertönen zu lassen, welche die Gegenwart Christi verkündigt – den Schall der siebenten Posaune, der Posaune Gottes. – Offenbarung 10:7.“ (526) 

„In allen seinen Warnungen machte Pastor Russell keinerlei Anspruch auf Originalität. Er sagte, dass er seine Bücher niemals aus sich selbst habe schreiben können. Alles kam von Gott durch die Erleuchtung des Heiligen Geistes.“ (529)

Der ganzen irrenden Menschheit sollte Pastor Russell, so war er immer von Gott angewiesen, die göttliche Strafe für die Sünde immer von neuem wiederholen und vor Augen halten, immer von neuem predigen, dass die göttliche Strafe für die Sünde der Tod ist und nicht ewige Qual. Dies war ein grundlegender Teil der Botschaft Hesekiels sowohl als auch Pastor Russells.“ (530)

Pastor Russell, als ein Glied des großen Hohenpriesters und als Christi Vertreter in der Welt, der einzige Verwalter der „Speise zur rechten Zeit”, trug tiefes Leid, aber er vergoß keine Tränen.   (653)  (Will sagen: Er weinte nicht über die Scheidung von seiner Frau.)

So also sollte Russell sein; so sollten ihn seine Anhänger sehen! In späteren Veröffentlichungen der WTG ist von dieser Menschenverherrlichung nur wenig übrig geblieben. Aber sie hatte ihren Zweck erfüllt, und seit dem Erscheinen des Buches „Das Vollendete Geheimnis“ war Russell das „göttliche Werkzeug“  und der vom Himmel bestimmte Gründungsvater der neuzeitlichen Organisation Gottes.

(Fortsetzung im Teil 2)

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“Das gefährlichste an Halbwahrheiten ist, dass fast immer die falsche Hälfte geglaubt wird!”

(Hans Krailsheimer 1888-1958)

Sarah Alle religiösen Gemeinschaften haben ungereimte oft verworrene Theologien und ihre heiligen Männer, die sie verkündeten. Diese «heiligen» Männer starben alle und werden weiterhin alle sterben. Nach ihrem Tode erinnert sich dann fast keiner mehr an ihre abstrusen Gedanken. Wieso soll es bei den Zeugen Jehovas anders sein? Zeugen Jehovas sind eine christliche Religionsgemeinschaft wie jede andere auch. Sie sehen vieles wie andere Religionen auch, nicht wirklich klar. Die Früchte ihrer Lehren sind oft bedenklich, können Leid und Schmerzen verursachen. Aber ist das nicht bei allen ebenso?  Die Geschichte der ZJ ist nicht aussergewöhnlich. Gott hat eben keine Organisation hier… Weiterlesen »

 
Ulla, das mit den Halbwahrheiten ‚trifft den Nagel auf den Kopf‘!
Die Schrift fordert: „geht aus Babylon hinaus!“ aber WOHIN sagt sie (absichtlich?) nicht!
Sehr viele Gemeinschaften wollen die ‚Hinausgegangenen‘ wieder vereinnahmen.
Da kann man schnell ‚vom Regen in die Traufe kommen‘.
 
Besser ist es, ein mündiger, autonomer Mensch zu sein und Gottes gebahnte Wege endlos zu gehen.

Erst mal: Danke für den interessanten und sicherlich mühevoll / zeitaufwendig recherchierten Artikel.  Du schreibst: “Nur in der kleinen Gruppe der Zeugen Jehovas blieb er der hochgelobte “Pastor“ Russell!”  Es gibt noch heute zumindest eine andere Gruppe, die Russel sehr verehren. Nachfolgende Informationen erhielt ich im Sommer 2015 von einem Bruder aus Berlin. “Die Ernsten Bibelforscher, von denen es heute weltweit noch Viele gibt, lesen bis heute einzig die Schriften Russells, sie sehen ihn als den Treuen Sklaven an. Sie folgen einem ähnlichen Personenkult wie Z.J. mit ihrem leitenden Gremium in Brooklyn. Die Bibelforscher Bewegung spaltete sich in drei Hauptrichtungen.… Weiterlesen »

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